Jahresbilanz von Transfair: Immer mehr kaufen fair
Der Umsatz mit Transfair-Waren ist 2007 um 28 Prozent gestiegen. Trotz Diskussionen um Fair-Produkte im Supermarkt und des Skandals bei Transfair-Partner Lidl.
BERLIN taz Das war ein Schock auch für die Non-Profit-Organisation Transfair: Ihr Partner Lidl soll seine Mitarbeiter bespitzelt haben. Den Verein traf der Skandal bei der Discounter-Kette besonders hart, weil er einzig deshalb gegründet worden war, damit es mehr faire Arbeitsverhältnisse gibt.
Seit 16 Jahren vermittelt Transfair an Unternehmen hierzulande Kleinbauern-Kooperativen in Asien, Afrika und Lateinamerika, die Kaffee, Bananen oder Orangen anbauen. Genauso lang läuft die Debatte, ob das der richtige Weg ist - ob Unternehmen die alternative Handelsbewegung nicht bloß als Feigenblatt missbrauchen.
Die Umsatzzahlen, die Transfair gestern bekannt gegeben hat, sprechen jedenfalls eine klare Sprache: Auch im vergangenen Jahr stieg der Umsatz von Waren mit dem Transfair-Siegel. Für 142 Millionen Euro kauften Konsumenten in Deutschland 2007 Kaffee, Tee oder Schokolade - 28 Prozent mehr als 2006. Diese Zuwächse sind nur möglich, weil fair gehandelte Produkte eben nicht nur in den Weltläden, sondern auch in Supermärkten angeboten werden. "Das heißt aber nicht, dass wir alles gutheißen müssen, was in den Supermärkten geschieht. Und das heißt auch nicht, dass wir stets den Mund halten müssen", sagt Transfair-Pressesprecherin Claudia Brück der taz. Im Fall von Lidl habe man aber den Eindruck bekommen, dass die Maßnahmen, die der Discounter ergriffen habe, "in die richtige Richtung" gingen. Lidl hat sich unter anderem per Großinserat in Zeitungen für sein Verhalten gerechtfertigt - und entschuldigt. Besser machte es zwar nicht, dass auch andere Supermärkte, darunter Edeka und Plus, ihre Mitarbeiter haben überwachen lassen - die Rolle des Bösewichts Lidls wurde dadurch aber relativiert.
Für Brück steht fest: "Der Handel ist ja generell ein Haifischbecken." Gleich wie öko oder fair ein Produkt sei, wenn es nicht den gewünschten Umsatz brächte, würde es ausgelistet. Das war und ist eines der Hauptargumente der Kritiker des Siegels. Für den alternativen Hamburger Kaffeeimportverein El Rojito ist deshalb eine Zusammenarbeit mit Ketten wie Lidl nicht möglich. Es gehe nicht nur darum, den Produzenten anständige Preise zu bezahlen, sondern den Konsumenten Handelsstrukturen über ein Produkt zu erklären.
Es ist der alte Konflikt. Denn Transfair sagt, mehr Produzenten im Süden könnten nur über den konventionellen Handel erreicht werden. Zwei Drittel des Umsatzes entfallen denn auch auf Supermärkte, die auch fair gehandelte Bananen anbieten, ein Produkt, das es etwa in Weltläden gar nicht zu kaufen gibt. Kooperationen wie jene mit Lidl ließen sich schon deshalb nicht so einfach aufkündigen. "Das sind die Bösen, und mit denen reden wir nicht mehr, geht nicht", sagt Brück. Denn dann würde etlichen Produzenten die Wirtschaftsgrundlage entzogen. Und man könne schließlich auch nicht die Arbeit Ver.dis übernehmen. Nun sollen aber Unternehmen, die künftig Ware mit dem Transfair-Siegel verkaufen wollen, eine Absichtserklärung unterschreiben: Man wolle "fair" auch mit den Mitarbeitern hier umgehen.
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