Jahresbericht zu Diskriminierung: Dauerbrenner Barrierefreiheit

Menschen mit Behinderung sind häufig von Diskriminierung betroffen. Es ist überfällig, dass Dienstleister stärker in die Pflicht genommen werden.

Ein Rollstuhl auf einer Rampe in einer S-Bahntür

Über eine Rampe aus der S-Bahn: Noch längst sind Bahnhöfe nicht überall barrierefrei

Sonntag am Bahnhof in Gießen. Der erwartete IC kommt nicht, die Begründung dafür umso schneller: „Sehr geehrte Fahrgäste. Die Ankunft des Zuges verzögert sich um 15 Minuten. Grund dafür ist die Hilfe beim Ein- und Ausstieg“. Eine harmloser Erklärung, hinter der die meisten Menschen wohl keine Diskriminierung sehen.

Doch ein Blick auf die Anzeigetafel macht klar: Der Grund für die Verspätung ist eine fehlende Rampe. Der IC ist nicht barrierefrei, die Verspätung verursachende Hilfe für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist ein Problem der Deutschen Bahn. Benannt wird es nicht so.

Menschen mit Behinderung erleben solche Situationen in öffentlichen Transportmitteln zu häufig. Sie werden am Bahnsteig stehen gelassen oder können nicht an dem Halt aussteigen, wo sie hin wollen. Menschen im Rollstuhl müssen ihre Fahrten teilweise lange im Voraus anmelden.

Doch fehlende Barrierefreiheit bei der Bahn ist nur ein Bereich, wo Menschen mit Behinderung Diskriminierung erfahren. Etliche Beispiele finden sich auf dem Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt oder im Gesundheitswesen. Letzteres zeigte sich auch verstärkt in der Coronapandemie.

Die Zahlen, die Ferda Ataman als Antidiskriminierungsbeauftragte am Dienstag vorstellte, überraschen deshalb nicht. Nach rassistischer Diskriminierung sind am zweithäufigsten Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten von Diskriminierung betroffen. Unter dem Hashtag #AbleismTellsMe berichten Betroffene regelmäßig in sozialen Netzwerken darüber.

Beschwerden kosten Kraft

Schon lange fordern Menschen mit Behinderung, dass im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verankert wird, dass private Anbieter von Dienstleistungen dazu verpflichtet werden Barrierefreiheit zu schaffen. Es ist begrüßenswert, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes das Thema stärker in den Blick nehmen will. Es ist noch besser, dass sich Menschen bei der Bundesstelle melden und auf die Fälle aufmerksam machen und sie bemängeln. Aber auch das erfordert Kraft und Zeit. Nicht alle haben diese.

Viel zu oft bleibt es bei politischen Ankündigungen, dass etwas besser werden soll. Barrierefreiheit ist in dieser Hinsicht ein Dauerbrenner. Doch die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und die schnelle Umsetzung ist überfällig – die Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben ist in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben. Das sollten alle ernst nehmen – auch die Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn. Denn Inklusion ist nie ein Gefallen, schon aber eine Frage der Haltung.

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Schreibt seit 2017 für die taz und arbeitet seit 2020 als Redakteurin bei der taz. Studierte Kommunikationswissenschaften, Germanistik, Anglistik sowie Kulturjournalismus in Berlin und Essen.

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