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Jagdszenen im Schneematsch

Mit Spikes und Goretex durch den Winter: Vor allem in der Vorweihnachtszeit floriert das Geschäft der Hamburger Fahrradkuriere  ■ Von Inga Niermann

Schneeflocken treiben ihm ins gerötete Gesicht. Atmungsaktive Goretexkleidung von Kopf bis Fuß schützt Peter, den Fahrradkurier, vor eiskaltem Gestöber und schneidendem Wind. „Bei diesem Wetter muß man schon ziemlich gut drauf sein, um die Touren durchzuziehen“, erzählt der 34jährige, der seit sieben Jahren hauptberuflich als Fahrradkurier in Hamburg arbeitet. Dennoch ist Peter auch im Winter jeden Tag auf der Straße, denn in keiner anderen Jahreszeit könne er so viel verdienen.

Das tägliche Treffen mit Biker-Kollegen fällt entsprechend kurz aus, denn Zeit zum Klönen leisten sich die Profikuriere kaum. Aus dem Funkgerät erteilt eine Männerstimme ununterbrochen neue Aufträge, Peter nimmt gleich drei auf einmal. „Das bringt nicht nur Geld, sondern ich bleibe dadurch auch in Bewegung und spüre die Kälte nicht so.“

Mit seinem 5.000 Mark teuren Mountainbike schafft der gelernte Speditionskaufmann auch bei schlechtem Wetter über 80 Kilometer am Tag. In der Hamburger City jagt er abwechselnd auf der Busspur, zwischen Autoschlangen und dann auf dem Bürgersteig dahin. Schneematsch und Dreck spritzen ihm bis an die Schultern, rote Ampeln werden ignoriert, durch Einbahnstraßen rast er grundsätzlich in verkehrter Richtung.

Auf der Straße kommt es vor allem auf Schnelligkeit an. Dafür nimmt Peter auch gelegentliche Reibereien mit der Polizei in Kauf. Hin und wieder muß er 150 Mark Strafe zahlen, wenn er mal wieder eine rote Ampel überfahren hat. Gefährlich wird es erst, so meint der begeisterte Tourenfahrer, wenn Eis die Straßen in schliddernde Rutschbahnen verwandelt. „Bei verschneiten Straßen helfen immer noch Reifen mit dickem Profil oder Spikes, aber auf Eis rutscht du einfach so weg.“

Nach wenigen Stunden sind Peters Schuhe durchnäßt, doch sein Tatendrang ist ungebrochen. „In der Vorweihnachtszeit verdiene ich bis zu 320 Mark an Tag.“ Bis Ende Dezember wollten die Leute ihren Schreibtisch geräumt haben, da gebe es viel zu tun. „Viele sind bei diesem Wetter auch zu faul zum Einkaufen, das erledigen wir dann auch“, schmunzelt er. Und außerdem gibt es da noch die Adventskalender. Die verteilen Peter und seine Kollegen derzeit an die besten Kunden ihres Kurierdienstes.

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