Kommentar über Verhandlungen mit PKK: Neue Einsicht in Ankara
In der Kurdenfrage besteht immer die Gefahr, dass die staatlichen Angebote zu spät und zu substanzlos sind, um wirklich zu einem Frieden zu führen.
E s ist eine gute Nachricht für den Start der Türkei ins neue Jahr. Nach längerer Unterbrechung spricht die Regierung wieder intensiver mit dem inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan über eine politische Lösung des Kurdenkonflikts.
Offenbar ist man in Ankara nach einigen Zweifeln jetzt doch davon überzeugt, dass Öcalan noch genügend Einfluss auf die Guerilla der PKK hat, um über ihn einen Waffenstillstand und womöglich das Ende des bewaffneten Kampfes in die Wege leiten zu können.
Die PKK hat im letzten Jahr eindrücklich unter Beweis gestellt, dass sie nach wie vor in der Lage ist, auch größere militärische Aktionen in der Türkei durchzuführen. Dabei mag ihr der syrische Diktator Assad geholfen haben, aber auch für die nahe Zukunft gilt, dass der Bürgerkrieg in Syrien und die instabile Lage im Irak dazu führen kann, dass die PKK eher mehr als weniger Spielraum für ihre Aktionen bekommen wird.
ist Türkei-Korrespondent der taz.
Außerdem droht aus Sicht der türkischen Regierung nach der autonomen kurdischen Region im Nordirak nun auch noch eine autonome kurdische Zone in Syrien. Alles Gründe, ernsthaft zu versuchen, den jahrzehntelangen blutigen Konflikt mit der PKK endlich zu lösen.
Die türkische Regierung, und vor allem ihr uneingeschränkter Chef Tayyip Erdogan, muss sich jetzt entscheiden, ob sie den Kurden echte politische Zugeständnisse anbieten will oder nicht. Lange war es ein Tabu, dass die Regierung mit Öcalan verhandelt. Das gilt zwar so nicht mehr. Aber eine Autonomie, die das zentralstaatliche System der Türkei substanziell in Frage stellt, wird von der Mehrheit der türkischen Gesellschaft nach wie vor vehement abgelehnt.
In der Kurdenfrage besteht deshalb immer die Gefahr, dass die staatlichen Angebote, wenn sie denn kommen, zu spät und zu substanzlos sind, um wirklich zu einem Frieden zu führen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“