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Italiens Linke am BodenDebakel für den Kommunismus

Erstmals seit 1945 sitzt kein einziger kommunistischer Abgeordneter mehr in Italiens Parlament. Die Selbstzerfleischung der radikalen Linken in Italien scheint unaufhaltsam.

Einst eine starke Bewegung, heute marginalisiert: Italiens Kommunisten. Bild: dpa

ROM taz Tränen standen Franco Giordano in den Augen, dem Vorsitzenden der Rifondazione Comunista, als er vergangene Woche vor das Comitato Politico Nazionale trat, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Denn nicht bloß über eine Wahlniederlage hatte Rifondazione Comunista zu beraten, sondern über eine veritable Katastrophe. Schließlich hatten die Italiener am 13./14. April ein Votum abgegeben, das womöglich als Epochenwechsel in die Geschichtsbücher eingehen wird. So wie die Wahlen von 1948 mit dem haushohen Sieg der Democrazia Cristiana unter Alcide De Gasperi das fast 50 Jahre dauernde christdemokratische Regime begründet hatten, so drohen die gerade abgehaltenen Wahlen die Macht der Berlusconi-Rechten auf Jahre zu zementieren.

Und sie bedeuten das Aus der radikalen Linken in Italien. Erstmals seit 1945 sitzt kein einziger Kommunist mehr in Italiens Parlament und das in dem Land, in dem die mächtige KPI in ihren besten Zeiten 34 Prozent der Stimmen holte, in dem auch nach der Auflösung der KPI 1991 die solideste radikale Linke Europas zu Hause schien, in dem zugleich mächtige soziale Bewegungen den Regierungen Druck machten. 2006 noch hatten die beiden Kommunistischen Parteien und die Grünen 10,2 Prozent der Stimmen gewonnen. Jetzt kam ihr Wahlkartell, zu dem auch die Sinistra Democratica gehört, die bei der Gründung der Demokratischen Partei nicht mittun wollte, auf vernichtende 3 Prozent. Die Wahlallianz "Die Linke" sei eben bloß ein "Leergutbehälter ohne Inhalt gewesen", schimpft Gabriele Polo, Chefredakteur der Tageszeitung Il Manifesto: ein Projekt, das ausschließlich aus der Not geboren war, die Vierprozenthürde zu überwinden. Die Satirikerin Sabina Guzzanti legt nach: Auch Rifondazione Comunista habe sich im staatlichen RAI an dem Spiel beteiligt, den Staatssender der Kontrolle der Parteien zu unterwerfen, statt für freie Information zu sorgen: "Und dann wurde Rifondazione selbst Opfer dieses System, kein Wunder, denn an Leuten, die bloß Sessel besetzen wollen, haben wir schon zu viele in Italien." Wie ein möglicher Neuanfang der Linken aussehen kann, liegt völlig im Nebel. Am Samstag letzter Woche trafen sich über 1.000 Aktivisten in Florenz zu einer ersten Debatte. Der Historiker Paul Ginsborg, einer der Gründerväter der Girotondi, jener mächtigen Bewegung, die in den Jahren 2002 und 2003 Millionen Menschen gegen Berlusconi auf die Straße brachte, appellierte leidenschaftlich: "Spaltet euch nicht, verlangt nicht von uns, sich für einen von euch zu entscheiden. Wir sitzen in einem kleinen Nachen, und wenn wir uns schlagen, landen wir im Wasser."

Doch wie es scheint, ist der Krach auf der Linken nicht mehr aufzuhalten. Die Comunisti Italiani, die kleinere der beiden italienischen KPs, wolle wieder zu Hammer und Sichel, zu ihrer alten Orthodoxie zurückkehren. Von wegen Regenbogen: Sie trommeln jetzt für die "Einheit der Kommunisten". Auch bei Rifondazione stehen die Zeichen auf Sturm. Die Tagung des Comitato Politico endete am letzten Sonntag mit dem Sturz der alten Parteiführung und dem politischen Mord am bisherigen Übervater Fausto Bertinotti. Der wollte seine Partei in einer neuen "Regenbogen"-Allianz auflösen und billigte dem Kommunismus dort nur noch den Status einer "kulturellen Strömung" zu. Zu viel für die Mehrheit von Rifondazione: Sie wählte ein Krisenkomitee an die Spitze; der endgültige Showdown, womöglich gar die Spaltung der Partei, wird für den Parteitag im Juli erwartet. Im Juli auch haben die "Verdi", die Grünen, ihren Parteitag einberufen. Bei ihnen steht sogar die völlige Auflösung im Raum.

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