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Italien zwischen Renzi und GrilloZwei sind einer zu viel

Matteo Renzi und Beppe Grillo hatten mal dasselbe Ziel: die Übernahme der gemäßigt linken Partito Democratico. Nun lauern beide auf eine Neuwahl.

Auch nur ein Polit-Clown? Matteo Renzi gab sich, wie Beppe Grillo, gern volksnah Foto: ap

Rom taz | Lieber jetzt als gleich: Wenigstens in diesem einen Punkt sind sich Matteo Renzi, Italiens scheidender Ministerpräsident, und Beppe Grillo, Chef der 5-Sterne-Bewegung, einig. Nachdem das Verfassungsreferendum gescheitert ist, wäre es beiden am liebsten, wenn das Land schon morgen an die Urnen schritte. Und für beide dürfte die Wahl ein Showdown über die Frage sein, wer von ihnen eigentlich beanspruchen darf, der Retter des Vaterlands zu sein.

Diesen unbescheidenen Anspruch nämlich haben sie gemein, auch wenn sonst Welten zwischen ihnen liegen. Der eine, der 68-jährige Grillo, von Beruf auch heute noch Comedian, hätte sich bis vor wenigen Jahren wohl nie träumen lassen, in die Politik zu gehen. Der andere dagegen, der 41-jährige Renzi, konnte es gar nicht abwarten. Sohn eines christdemokratischen Lokalpolitikers aus der Toskana, hatte er es schon mit 29 Jahren zum Provinz-Präsidenten gebracht.

Grillo hatte mit seinen meist ausverkauften Bühnenshows, in denen es zunehmend um die ökologischen Sünden des herrschenden Systems ging, eine mehr als auskömmliche Existenz, Renzi hätte seinen Aufstieg in der im Jahr 2007 gegründeten Partito Democratico (PD) gemütlich fortsetzen können – doch beide hatten mehr vor.

Italien in den nuller-Jahren – das war der Höhepunkt der Ära Berlusconi, unterbrochen nur von der kurzlebigen Mitte-links-Regierung Romano Prodis, der zwischen 2006 und 2008 18 Monate amtierte. Die übermächtige Rechte, die unfähige und demoralisierte Linke: Pessimistische Beobachter warnten davor, dass Italien auf ein „Regime“ zusteuere. Nanni Moretti, der berühmte Regisseur, hatte schon 2001 der Linken verzweifelt die Leviten gelesen, mit dem Ausruf: „Mit dieser Führungsmannschaft gewinnen wir nie!“

Linke mit schlechter Führung

Zwei potenzielle Retter des Landes standen schon 2007 bereit, ursprünglich mit dem gleichen Projekt: der feindlichen Übernahme der gemäßigt linken PD.

Grillo stürzte sich 2007 in die aktive Politik. Im September jenes Jahres rief er zum „Vaffanculo-Day“ auf, höflich übersetzt: zum „Scher-dich-zum-Teufel-Tag“, und quer durchs Land kamen Hunderttausende. Die alte, korrupte politische Klasse, angeführt vom „Psycho-Zwerg“ (so Grillo über Berlusconi), sollte einpacken und Platz machen für ehrliche Volksvertreter. Als 2009 die PD Grillo sowohl das Parteibuch als auch eine Kandidatur zum Parteichef verweigerte, hob er sein Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) aus der Taufe. Bei der Parlamentswahl 2013 erhielt das M5S aus dem Stand 25 Prozent der Stimmen, in den gegenwärtigen Meinungsumfragen liegt es bei 30 Prozent.

Sich als Feind traditioneller Politik geben können beide gleich gut

Grillos Versuch einer feindlichen Übernahme war schnöde abgeschmettert worden, doch der nächste Aspirant stand schon bereit: Matteo Renzi. Durch die Fusion seiner Mitte-Partei Margherita mit den postkommunistischen Linksdemokraten war er seit 2007 Mitglied der PD, in der – so schien es – auf immer die früheren Kommunisten den Ton angeben würden.

Renzi wollte politische Klasse verschrotten

Ausgerechnet im roten Florenz forderte Renzi die Exkommunisten heraus, wurde gegen die Favoriten des Parteiapparats erst zum Kandidaten, 2009 dann zum Bürgermeister gewählt. Und kaum im Amt ließ er seine nationalen Ambitionen durchblicken. Er forderte die „Verschrottung ohne Abwrackprämie“ für Italiens politische Klasse, die Altvorderen seiner PD eingeschlossen. Renzi etablierte sich als Enfant terrible seiner eigenen Partei, platzierte sich – neben Grillo – als weiteren Volkstribun, der die „Kaste der alten Politiker“ entthronen will.

Zunächst war Grillo für Renzi ein Glücksfall. Der Komiker nämlich trug mit seinem Erfolg bei der Parlamentswahl 2013 zum schlechten PD-Ergebnis bei, in dessen Folge Renzi an die Spitze der Partei stürmte und die alte Parteiführung verschrottete. Im Februar 2014 kippte er dann auch noch den Ministerpräsidenten aus den eigenen Reihen, Enrico Letta, um selbst das Amt des Regierungschefs zu übernehmen.

Sich als Feind der traditionellen Politik geben, in der Sprache der Bürger reden, immer ein Bonmot auf den Lippen, die Wähler quer durchs ideologische Spektrum von links bis rechts ansprechen, ohne große ideologische Vorbehalte: Renzi kann das allemal genauso gut wie Grillo. Zwei machen da auf ihre Weise den gleichen Job. Der eine – zumindest bisher – als Volkstribun an der Regierung, der andere als Volkstribun in der Opposition. Von den zweien ist einer zu viel. Geklärt schien das Problem mit der Europawahl 2014. Unter dem frisch gekürten Parteichef und Ministerpräsidenten Renzi gelang der PD mit 40,8 Prozent ein doppelt so gutes Ergebnis wie M55.

Dumm nur, dass es Renzi seither oblag, das Land zu regieren. Er tat das mit seinem Optimismus, der ihn so schnell nach oben getragen hatte, „Italien startet durch“, „Jeden Monat eine Reform“ und wie seine Slogans in Tweet-Form alle hießen. Auch eine volksnahe E-Mail-Adresse legte er sich zu, per Du gleichermaßen, matteo@governo.it. Doch Italiens Misere bleib bestehen, das Wirtschaftswachstum schwach, die Arbeitslosigkeit hoch, die Steuerlast drückend.

Slogans im Tweet-Format

Grillo konterte deshalb mit volksnahem Pessimismus – und mit der Auskunft, auch Matteo gehöre zur „Kaste“ der Politiker. Ihr einziges persönliches Gespräch hatten die beiden im Februar 2014, als Renzi vor seiner Regierungsbildung die Konsultationen mit allen Parteien führte. Grillo sagt da ganz trocken, „du bist ein braver Kerl, der die verfaulten Mächte repräsentiert“.

Renzis 40 Prozent beim Verfassungsreferendum am vergangenen Sonntag waren eine desaströse Niederlage. Dennoch: Bisher waren beide einigermaßen erfolgreich, führen Parteien an, die je für 30 Prozent oder mehr der Wähler gut sind. Der alte Grillo räumt vor allem bei den Jungwählern ab, der junge Renzi kann sich vor allem auf Italiens Rentner verlassen. Jetzt aber ist die Stunde der Entscheidung gekommen, und jeder der zwei sucht sie im sicheren Bewusstsein, dass von beiden einer zu viel ist.

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