Italien vor der Wahl: Komplex und voller Überraschungen
„Verhältniswahl mit Mehrheitsbonus“ heißt das italienische Wahlsystem. Es könnte Berlusconi eine Sperrminorität im Senat verschaffen.
ROM taz | Das italienische Wahlrecht ist höchst komplex – und bietet deshalb besonders viel Raum für Überraschungen. Am Sonntag und Montag wählen die Italiener gleich zwei Kammern des Parlaments neu: das Abgeordnetenhaus (630 Sitze) und den Senat (315 Sitze). Beide sind politisch gleichberechtigt, die Regierung braucht das Vertrauen beider Kammern. Diese werden aber auf unterschiedliche Weise bestimmt.
„Verhältniswahl mit Mehrheitsbonus“ nennt sich das Wahlsystem. In der Praxis heißt das: Das Parteienbündnis, das die meisten Wählerstimmen für das Abgeordnetenhaus erzielt, erhält dort automatisch 54 Prozent der Sitze. Sollte – wie allgemein erwartet –Pierluigi Bersani mit seiner gemäßigt linken Allianz die Nase vorn haben, dann kann er auf 340 Abgeordnete für seine Partito Democratico und für die verbündete Sinistra Ecologia Libertà zählen, auch wenn sein Bündnis bloß 35 Prozent der Wähler um sich scharen könnte.
Ganz anders gestaltet sich die Wahl der Senatoren. Zwar gilt auch hier die „Verhältniswahl mit Mehrheitsbonus“ – bloß wird der Bonus Region für Region vergeben. Er geht also jeweils an das Lager, das gerade im Latium, im Piemont oder in Kalabrien vorn liegt.
Im Senat droht ein Patt
Eben darauf hofft Silvio Berlusconi. In einigen umkämpften „Swing States“, vorneweg in der Lombardei und in Sizilien, hofft er am Ende knapp vorn zu liegen. Die Lombardei ist mit etwa 9 Millionen Einwohnern Italiens einwohnerstärkste Region: Sie entsendet 49 Senatoren nach Rom. Wer hier gewinnt, wenn auch nur mit 32 Prozent, bekommt automatisch 27 dieser Sitze.
Damit wird die Senatswahl zur Zitterpartie. Umfragen dürfen seit dem 8. Februar nicht mehr veröffentlicht werden. Doch eine Website umging das Verbot, indem sie statt von „Wahlen“ von „Pferderennen“ sprach, und von zu gewinnenden „Hafersäcken“ statt von Senatssitzen. Ihre Prognose: Die Linke hätte am Ende 144 Sitze, bliebe also deutlich unter der absoluten Mehrheit. Eine Koalition mit Mario Monti – auf 20 Sitze geschätzt – wäre damit unumgänglich. Das Berlusconi-Lager darf danach 94 Sitze erwarten, und Beppe Grillos Protestliste Fünf-Sterne-Bewegung zöge mit 43 Parlamentariern in den Senat ein.
Doch auch nur leichte Verschiebungen könnten zu einem völligen Patt führen: Wenn die Listen Bersanis und Montis weniger als 158 Sitze im Senat erobern, wären sie auch bei einem Sieg im Abgeordnetenhaus für die Regierungsbildung auf das Wohlwollen Berlusconis im Senat angewiesen.
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