Italien vor EU-Gipfel für Wiederaufbau: Conte geht Bündnisse schmieden
Italiens Premier Conte tourt in Sachen EU-Aufbaufonds durch Europas Hauptstädte. Im Gepäck hat er „die Mutter aller Reformen“.

Am Dienstag war Conte bei seinem portugiesischen Kollegen Antonio Costa, am Mittwoch dann bei Pedro Sánchez in Madrid. Schon im Vorfeld sprach Sánchez rundheraus von einem „Pakt“ zwischen den beiden Ländern. Sie wurden früher und härter von der Coronapandemie getroffen als andere, und ihnen steht jetzt auch im europäischen Vergleich der härteste ökonomische Absturz bevor. Beiden Ländern sagt die EU-Kommission für 2020 einen Einbruch des BIP von 11 Prozent voraus. Italien würde jetzt nach den Kommissionsvorschlägen für den EU-Wiederaufbauplan etwa 170 Milliarden Euro erhalten, Spanien 140 Milliarden.
Nächsten Montag wird Conte auch Kanzlerin Angela Merkel treffen, und auch eine Begegnung mit Emmanuel Macron wird anvisiert. Um ihnen ebenso wie den „Sparsamen Vier“ gegenüber Italiens Position glaubwürdiger zu machen, hat Contes Kabinett am Monat den umfassenden Plan verabschiedet, den der Regierungschef überschwänglich „Mutter aller Reformen“ taufte.
Um die Wirtschaft wieder anzuschieben, setzt die Regierung vorneweg auf eine Fülle großer Infrastrukturprojekte, im Straßen- und Eisenbahnbau, bei Häfen und Flughäfen. Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von fast 200 Milliarden Euro liegen schon jetzt auf Halde; sie wurden bisher aufgrund der komplizierten Vergabeverfahren nicht in Angriff genommen. Dieser Investitionsstau soll beseitigt werden, durch die drastische Vereinfachung der Prozeduren und bei kleineren Vorhaben auch durch Direktvergabe ganz ohne Ausschreibungen.
Breitband bis ins kleinste Dorf
Um Politiker*innen und Verwaltungsbeamt*innen die „Angst vor der Unterschrift“ bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu nehmen, soll der Straftatbestand Amtsmissbrauch enger gefasst werden, sollen staatliche Funktionsträger nur noch dann wegen Vermögensschäden belangt werden können, wenn hinter ihrem Handeln Vorsatz steckte.
Zudem soll die öffentliche Verwaltung entschlackt werden, viele ihrer Dienstleistungen in Zukunft digital erfolgen. Milliarden sollen ins Bildungs- und ins Gesundheitswesen fließen, und das Land soll bis ins kleinste Dorf hinein mit Breitband-Internet versorgt werden. Und damit die Lokalpolitik in Zukunft nicht mehr in die Digitalisierung Italiens hineinpfuscht, soll den Kommunen untersagt werden, Anordnungen gegen die Aufstellung von 5G-Masten zu beschließen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!