piwik no script img

Ist Manfred Wulfert Täter oder Opfer?

■ Neue Indizien gegen CDU-Schatzmeister von Sachsen-Anhalt. Staatsanwaltschaft sieht dennoch „keinen dringenden Tatverdacht“

Berlin (taz) – „Aus diesen Fetzen ergibt sich noch kein dringender Tatverdacht!“ erklärte Oberstaatsanwalt Helmut Windweh gestern auf Pressefragen wieder und wieder. Darum sei Manfred Wulfert nach wie vor auf freiem Fuß. „Diese Fetzen“, das sind Indizien, die dem juristischen Laien nahezulegen scheinen, daß Wulfert einen Mord in Auftrag gegeben hat. Am Wochenende wurden Abhörprotokolle der Berliner Polizei bekannt. „Den nehmen Sie sich zur Seite und dann – Endlösung“, hat Wulfert in sein Funktelefon gesprochen. Manfred Wulfert ist nicht nur mittelständischer Unternehmer, er war bis April auch Landtagsabgeordneter und bis vor zwei Wochen noch Schatzmeister der CDU von Sachsen-Anhalt.

Laut Abhörprotokollen hat der Spitzenfunktionär am 29. März mit dem russischen Kriminellen Andrej Sokolow telefoniert: Dabei ist jener Satz gefallen, der sich wie ein Mordauftrag liest. Detlef Lucks, ein Autohändler aus Bremen, sollte das Mordopfer sein. Lucks behauptet, er habe Wulfert 50.000 Mark in bar für ein Geschäft mit irakischen Dinaren geliehen. Seine Schulden, so der Verdacht der Ermittlungsbehörden, habe der CDU-Politiker mit dem Tod des Gläubigers aus der Welt schaffen wollen. Nach Erkenntnissen der Polizei hat Wulfert 20.000 Mark, ein Auto und ein Funktelefon für die Tat geboten. Eine teure Suite im Berliner Esplanade-Hotel habe der Politiker für Sokolow reserviert, pikanterweise als „Herr Wulfert von der CDU“ für einen „Angehörigen des russischen Umweltministeriums“. Wulfert bestreitet die Vorwürfe.

Sokolow, der in Berlin lebt, behauptet, er habe niemals ernsthaft erwogen, jemanden zu töten. Fest steht, er hat den Gläubiger Lucks sogar von Wulferts Plan unterrichtet. Dubios ist die Rolle des Berliner Bauunternehmers Hanno Matthes. Dieser Geschäftspartner von Manfred Wulferts hatte ihn nicht nur zwecks Kredit mit dem Bremer Lucks, sondern später auch mit dem vermeintlichen Killer Sokolow zusammengebracht. Staatsanwalt Helmut Windweh warnt vor einer Vorverurteilung: „Wer hier Täter und wer Opfer ist, ist noch nicht klar.“

Selbst wenn es nicht zur Anklage gegen Wulfert kommen sollte: Das Image der CDU in Sachsen-Anhalt ist schwer beschädigt. Die Partei, die so gern mit wirtschaftlichem Sachverstand wirbt, ließ ihre Finanzen von einem Mann betreuen, der bereits 1995 einen Konkurs hingelegt hatte.

Fraktionschef Christoph Bergner erklärte zuerst, nichts von den Mordvorwürfen gegen Wulfert gewußt zu haben. Nur Tage später mußte er zugeben, schon im April informiert gewesen zu sein. Im Parteivorstand will niemand von den finanziellen Schwierigkeiten des Schatzmeisters gewußt haben.

Heute trifft sich der Landesvorstand der CDU und berät über den Fall. Vorstandskollege Wulfert darf allerdings nicht dabei sein, wenn über seine Zukunft entschieden wird. „Seine Parteiämter ruhen ja zur Zeit“, sagte CDU-Geschäftsführer Bernd Reisener.

Bislang hat Wulfert stets seine Unschuld beteuert, aber zu Details auch seinen Parteifreunden gegenüber geschwiegen. Wulferts Hannoveraner Anwalt hat seit letzter Woche Einsicht in die Ermittlungsakten aus Halberstadt. „Auf der Grundlage der Informationen aus der Akteneinsicht werden wir Konsequenzen beraten“, so Reisener. Wahrscheinlich wird ein neuer Schatzmeister bestellt, „kommissarisch“, betont Reisener, „denn irgendwie muß die Arbeit ja trotzdem weitergehen“. Robin Alexander

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen