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Israels Polizei war „unvorbereitet“

Regierungskommission zum Tempelberg-Massaker legt Bericht vor/ Keine Konsequenzen auf Ministerebene/ Geheimdiensttätigkeit soll verstärkt werden/ Polizeipräsenz verstärkt  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die von Israels Premierminister Schamir beauftragte Kommission zur Untersuchung des Massakers am Jerusalemer Tempelberg hat gestern ihren Bericht vorgelegt. In dem 60seitigen Dokument wird festgestellt, der Vorfall sei durch „Aufhetzung“ der Araber seitens der Muezzins in den Moscheen ausgelöst worden; die „Aufhetzung“ und die „Unruhen“ seien „selbst ein schweres Verbrechen“.

Trotz „Warnungen“ durch höhere Instanzen und den Geheimdienst hätten die Jerusalemer Polizei und die Grenztruppen „ungenügende Vorbereitungen“ getroffen. Eine größere Präsenz vor Ort hätte als Abschreckungsmittel dienen können und die massive Intervention nach Beginn des, so der Bericht, polizeigefährdenden Steinewerfens durch die anwesenden Palästinenser wahrscheinlich unnötig gemacht. Auch wird kritisiert, daß die Polizei „unkontrolliert“ teilweise unnötig starkes Feuer eröffnete. Von möglicher Verantwortung auf ministerialer Ebene ist an keiner Stelle die Rede. Zu erwarten ist nun, daß die Polizeikommandanten von Jerusalem ihren Hut nehmen müssen.

Zur Vermeidung neuerlicher Vorfälle dieser Art empfiehlt die Kommission eine stärkere Teilnahme des Polizeiministers an Entscheidungen und Aktionen der Polizei in der Jerusalemer Altstadt. Erforderlich, so der Bericht, ist auch eine Erweiterung der Geheimdiensttätigkeit und die Bildung einer ständigen Kommission zur Erörterung von Dingen, die den Tempelberg betreffen. Ihr soll der Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek vorstehen.

Kollek selbst reagierte auf den Bericht eher negativ. „Die Wiederherstellung des Vertrauens mit der arabischen Bevölkerung ist wahrscheinlich nicht mit Hilfe eines Berichts möglich“, sagte der Bürgermeister. „Das können wir nur durch besseres Verhalten erreichen, aber ich bezweifle, daß wir dessen fähig sind.“

Die Untersuchungskommission war vor zwei Wochen eingerichtet worden, um einer internationalen Untersuchung der Vorfälle zuvorzukommen. Sie bestand aus drei ehemaligen Staatsbeamten unter Vorsitz des ehemaligen Mossad-Chefs Zvi Zamir. Die Regierung wird den Bericht nun in aller Welt verbreiten, in der Hoffnung, daß die UNO auf eine unabhängige Untersuchung des Massakers verzichtet.

Nach Meinung des Mapam-Abgeordneten Yair Zaban wird der Bericht jedoch kein Vertrauen in der Welt erwecken. Die Zamir-Kommission sei weder unabhängig gewesen, noch in der Lage, Zeugen zu vereidigen. Es wäre besser gewesen, eine gerichtliche Kommission mit Befugnis zur Empfehlung richterlicher Schritte einzurichten.

Jerusalem (afp) — Das israelische Verteidiungsministerium teilte am Freitag mit, Soldaten und israelische Zivilisten dürften auf steinewerfende Palästinenser schießen, wenn sie oder eine dritte Person in Lebensgefahr seien. In einem Brief eines hohen Verantwortlichen des Verteidigungsministeriums an eine israelische Siedlergemeinschaft in Hebron (Westjordanland) hieß es, das Werfen von Steinen könne eine „unmittelbare und reale Gefahr“ darstellen, die die Benutzung von Schußwaffen rechtfertige.

Massive Polizeieinheiten wurden gestern morgen vor dem Freitagsgebet auf dem Tempelberg stationiert. Wie aus Polizeikreisen zu erfahren war, soll außerdem die Zahl der moslemischen Gläubigen, die sich zum Gebet in die El Aksa-Moschee begeben dürfen, auf 7.000 beschränkt werden. Normalerweise beten rund 14.000 Moslems freitags in dem drittwichtigsten Heiligtum des Islam. Den Palästinensern aus den besetzten Gebieten der Westbank und Gaza wurde am Freitag bereits am dritten aufeinanderfolgenden Tag der Zutritt nach Ostjerusalem und Israel verweigert.

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