Israels Armee im Gaza-Krieg: "Hohe Zahl von Verstümmelungen"
Eine Expertenkomission wirft dem israelischen Militär vor, Rettungskräfte angegriffen und die Versorgung palästinensischer Zivilisten verhindert jzu haben. Die Armee sieht das natürlich anders.
JERUSALEM taz Die israelische Armee hat während der Gaza-Offensive die medizinische Versorgung von Verwundeten verzögert sowie Angriffe auf Rettungskräfte und Hospitäler verübt. Zu diesem Schluss kommt eine unabhängige Expertenkommission, die im Auftrag von "medico international", der "Physicians For Human Rights - Israel" und der "Palestinian Medical Relief Society" unmittelbar nach dem Krieg Ende Januar eine Woche lang im Gazastreifen eine Untersuchung vornahm. Vertreter der drei nicht-staatlichen Organisationen stellten am Montag in Jerusalem ihren 92 Seiten umfassenden Bericht vor.
Fünf Fachleute halten in ihrem Bericht die Aussagen von 44 Palästinensern fest, darunter Mohammad Schurrab aus dem Flüchtlingslager Jabalia, der machtlos zusehen musste, wie seine zwei Söhne verbluteten, weil die Armee Rettungskräften den Weg versperrte. In anderen Fällen wurden, laut Bericht, Rettungsfahrzeuge von Militärhubschraubern aus beschossen, wobei Sanitäter und Fahrer verletzt wurden. Der Bericht geht zudem auf die Art der Verletzungen ein, die eine "verhältnismäßig hohe Zahl von Verstümmelungen und Amputationen aufzeigen".
Der Bericht bestätigt den Missbrauch von weißem Phosphor, über den die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" bereits berichtet hatte. Die Armee führte eine interne Untersuchung zu möglichem Fehlverhalten der Truppen durch, nachdem einzelne Soldaten die gezielte Tötung von Zivilisten - in einem Fall von einer Frau und zwei Kindern - bezeugt hatten. "Die Zeugenaussagen sind vollständig von der Militärpolizei untersucht worden und zu meiner Freude als komplett unbegründet befunden worden", resümierte Stabschef Gabi Ashkenazi das Ergebnis Anfang der Woche.
Die Armee erklärte damit ihre Nachforschungen für beendet, was umgehend neue Skepsis wachrief. Mehrere israelische Menschenrechtsorganisationen äußerten gestern den Verdacht, dass es sich bei der Untersuchung der Armee von vornherein lediglich um den "Versuch handelte, den Verdacht des illegalen Vorgehens reinzuwaschen", wie heißt es in einer Mitteilung der Menschenrechtsorganiation Betselem heisst.
Der UN-Menschenrechtsrat hat unterdessen den ehemaligen Chefankläger der UN-Tribunale für das frühere Jugoslawien und Ruanda, Richard Goldstone, beauftragt, eine Delegation zur Untersuchung mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen zu leiten. Dabei soll das Verhalten beider Seiten, der Israelis und der Palästinenser, geprüft werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau