Israel/Palästina Israel hält an den Metalldetektoren auf dem Tempelberg fest und schränkt den Zugang ein. Wütender Protest folgt: Krach nach dem Freitagsgebet
Aus Jerusalem Susanne Knaul
Die Unruhen am Tempelberg der Altstadt von Jerusalem werden immer heftiger: Bei schweren Straßenkämpfen nach dem Freitagsgebet sind nach ersten Berichten bis zum frühen Abend drei Palästinenser getötet worden. In Jerusalem und an verschiedenen Brennpunkten im Westjordanland sind rund 400 Verletzte gemeldet worden.
Am Vormittag hatten sich Tausende Gläubige zum Gebet vor verschiedenen Toren der Altstadt versammelt. Die Polizei entschied, muslimischen Männern unter 50 den Zugang zu verwehren. Gleich nach dem Gebet am Mittag warfen Demonstranten Flaschen und Steine auf die Grenzpolizei, die mit einem Sonderaufgebot in voller Kampfausrüstung die gesamte Region bewachte und mit Rauchbomben und Tränengas die Menge auseinandertrieb.
Der aktuelle Konflikt entzündete sich daran, dass die israelischen Sicherheitskräfte an Zugängen zum Tempelberg Metalldetektoren aufstellten, nachdem am vergangenen Freitag bei einem Attentat mit Schusswaffen zwei Polizisten und drei Angreifer getötet worden waren. Die muslimischen Religionshüter der Wakf, die im Auftrag Jordaniens die Verwaltung der heiligen Stätte innehat, der Großmufti von Jerusalem, Mohammed Ahmad Hussein, sowie israelisch-arabische Politiker protestierten gegen diese „Verletzung des Status quo“. Sie riefen Gläubige aus der Umgebung Jerusalems auf, das Freitagsgebet nicht in ihren lokalen Moscheen abzuhalten, sondern zur Altstadt zu kommen.
Die künstlich erzeugte Krise gerät zunehmend außer Kontrolle. Der Einsatz von Metalldetektoren ist keine ungewöhnliche Sicherheitsmaßnahme in Israel, es gibt sie an Einkaufszentren, Museen und auch an der Klagemauer, der für Juden wichtigsten Pilgerstätte.
Der aufgeregte Protest der Religionshüter und der palästinensischen Führung in Ramallah hat nicht nur mit Israel zu tun. Er dient Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auch dazu, innenpolitisch gegenüber der Hamas zu punkten.
„Tag des Zorns“
Die Fatah hatte zu einem „Tag des Zorns“ aufgerufen aus Protest gegen die Metalldetektoren am Tempelberg, wo schon kleinsten Veränderungen dramatische symbolische Bedeutung zukommen kann. Laut Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA seien mehrere Fatah-Vertreter, darunter der frühere Minister für Jerusalem-Angelegenheiten und der Jerusalemer Fatah-Generalsekretär, verhaftet worden.
Israels Sicherheitskabinett hatte nach mehrstündigen nächtlichen Beratungen Freitag früh entschieden, den Empfehlungen der Polizei nachzukommen und die Metalldetektoren beizubehalten. Laut Berichten mehrerer israelischer Tageszeitungen hat der inländische Nachrichtendienst Shin Beth eine andere Meinung vertreten und dazu geraten, die Metalldetektoren zu entfernen. Die Geheimdienstler begründeten das damit, dass der Zorn über die Sicherheitsmaßnahme so schwerwiegende Konsequenzen haben könne, dass letztlich wenig gewonnen wäre.
Laut dem israelischen Hörfunk hatten nur „einige Dutzend Gläubige“ die Kontrolle an den Zugängen zum Tempelberg über sich ergehen lassen, um in der Al-Aksa-Moschee beten zu können. Das Sicherheitskabinett autorisierte die Polizei vor Ort, im Einzelfall zu entscheiden, wer die Detektoren passieren muss. Der Abgeordnete Jamal Sahalka von der arabisch-antizionistischen Vereinten Liste erklärte Regierungschef Benjamin Netanjahu „verantwortlich für jegliche Unruhen“. Umgekehrt zitierte das Nachrichtenportal Walla Sicherheitsoffiziere, die arabische Knesset-Abgeordnete beschuldigten, „die Massen zu mobilisieren“, wenn sie erklärten, die Metalldetektoren brächten den Status quo in Gefahr.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte sich wiederholt zum Festhalten an der seit 1967 bestehenden Regelung verpflichtet, die Juden zwar Besuchsrechte auf dem Tempelberg einräumt, das Gebet hingegen nur muslimischen Gläubigen erlaubt. Israel ist laut Status quo für die Sicherheit auf dem Tempelberg verantwortlich, die Wakf für die religiösen Angelegenheiten. Das Weiße Haus appelliert unterdessen an beide Seiten, „sich anzustrengen, um die Spannungen zu reduzieren und eine Lösung zu finden“.
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