Israel: Der ewige Zweite wird Präsident
In Jerusalem ist Schimon Peres ins höchste Staatsamt gewählt worden. Expremier Barak wird Chef der Arbeitspartei. Beides liegt im Interesse von Premier Olmert.
Der Karikaturist der liberalen israelischen Tageszeitung Haaretz machte Schimon Peres wenig Hoffnung für die Präsidentschaftswahl am Mittwoch. "Du kannst gar nicht verlieren", lässt der Zeichner Premierminister Ehud Olmert (Kadima) seinem Parteifreund Mut zusprechen. "Vertrau mir", antwortet Peres mit bitterer Miene. Nun hat Israels "ewiger Zweiter" seinen letzten Wettkampf mit 86 von 120 Stimmen doch für sich entschieden. Die 120 Parlamentarier stimmten im Sinne des Volkes, das den 84jährigen Politiker ungern mit einer weiteren Niederlage in Rente geschickt hätte.
"Peres hat gewonnen", kommentierte der Knesset-Reporter von Channel 2 und setzte hinzu: "Ich kann kaum glauben, was ich sage." Mit 58 Stimmen scheiterte Peres, der noch nie eine Wahl gewonnen hat, zwar an der notwendigen absoluten Mehrheit im ersten Wahlgang, dennoch war das Ergebnis deutlich genug, um seine beiden Mitstreiter zum Ausstieg zu bewegen. Colette Avital von der Arbeitspartei erreichte 21 Stimmen. Die erste Frau, die je für das höchste israelische Staatsamt kandidierte, zog sich "stolz auf die Leistung" zurück.
Reuven Rivlin, ehemals Parlamentssprecher und Kandidat des Likud, folgte ihrem Schritt, sichtlich erregt über das für ihn unerwartet schlechte Ergebnis von 37 Stimmen. "Es lebe der Präsident, es lebe der Staat Israel", sagte Rivlin unter Tränen und forderte die Parlamentarier zur Unterstützung seines Gegners Peres auf. "Peres ist der beste der drei Kandidaten", begründete die Abgeordnete Ronit Tirosch (Kadima) ihre Entscheidung. "Israel befindet sich in einem Prozess der Delegitimierung in den Augen der Weltöffentlichkeit. Es gibt niemandem, der das Image des Staates besser wieder aufpolieren könnte als er."
Alles in allem war es eine gute Woche für Olmert. Peres, bislang Nummer zwei in seiner Partei Kadima, war der von ihm favorisierte Kandidat für das Präsidentenamt. Noch wichtiger für die innenpolitischen Entwicklungen war das Ergebnis der Wahlen eines neuen Vorsitzenden der Arbeitspartei, zweitgrößter Koalitionspartner, am Dienstag. Erst am Mittwoch in den frühen Morgenstunden stand fest, dass der ehemalige Premierminister Ehud Barak erneut die Sozialdemokraten führen wird.
Drei Wochen zuvor war Olmerts "Mitangeklagter" für das Versagen vor und während des Libanonkrieges, Amir Peretz, von seiner Partei als Chef abgewählt worden. Von den beiden Kandidaten der Stichwahl, Barak und Ami Ayalon, ist Barak der bequemere für Olmert. Der ehemalige Stabschef wird den Posten des Verteidigungsministers übernehmen, den bislang Peretz hält.
"Ich werde meine ganze Energie und mein Wissen in die Stärkung des Verteidigungsapparates und die Armee investieren", meinte Barak nach Verkündung der Wahlergebnisse. Einen besseren Mann für diese nach dem Kriegsdesaster drängende Aufgabe der Regierung könnte sich Olmert derzeit kaum wünschen. Barak hatte zwar wie Ayalon während seiner Kampagne den Rücktritt Olmerts gefordert, doch wird der neue Chef der Arbeitspartei Neuwahlen nicht forcieren, solange die Popularität des Oppositionsführer Benjamin Netanjahu seine eigene klar übertrifft.
Sollte der in den kommenden Wochen veröffentlichte zweite Teil des Winograd-Berichts über das politische und militärische Versagen während des Krieges Olmert nicht den Posten kosten, wird Barak vorerst stillhalten. Auch für die eigene Partei bedeutet der neue alte Mann mehr Stabilität. Innerhalb weniger Monate gelang es Barak, der völlig aussichtslos in den Wahlkampf ging, die Mehrheit der Sozialdemokraten hinter sich zu vereinen.
Der Parteivorsitz ist allerdings für Barak nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Regierungschef. Schon gestern sprach er von einer "demokratischen Alternative für Israel" und lobte das "beste Team und die erfahrenste Gruppe aller Parteien der israelischen Politik".
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