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IsraelNazis nennen sich "weiße Christen"

Neonazis sowjetischer Herkunft griffen Ausländer, Homosexuelle und gläubige Juden an und schändeten wahrscheinlich Synagogen. Damit lösen sie eine Debatte über das Einwanderungsgesetz aus.

Israelische Gläubige beim Anblick einer wahrscheinlich von Juden geschändeten Synagoge Bild: ap

JERUSALEM taz Acht junge Israelis mit Springerstiefeln, die Hand ausgestreckt zum Hitlergruß - dies war gestern das Titelbild der auflagenstärksten israelischen Tageszeitung Jediot Ahronot. Zuvor hatte die Polizei bekannt gegeben, nach mehr als einjähriger Fahndung eine Zelle von acht in Israel lebenden Neonazis verhaftet zu haben.

Die 17 bis 20 Jahre alten Jugendlichen sollen im Namen der "Überlegenheit der weißen Rasse" Ausländer, Drogensüchtige und gläubige Juden in ihrer Nachbarschaft angegriffen haben. Ferner werden sie verdächtigt, letztes Jahr zwei Synagogen im Tel Aviver Vorort Petah Tikva geschändet zu haben. Bei der Festnahme der Gruppe wurden neun Kilogramm Sprengstoff sichergestellt. Außerdem fanden die Beamten bei Hausdurchsuchungen belastendes Bildmaterial: Die Mitglieder der Zelle hatten sich mit ihren Handys dabei verewigt, wie sie Passanten mit Knüppeln, zerbrochenen Bierflaschen und Schlagringen angriffen. Ferner wurde Propagandamaterial ausländischer neonazistischer Gruppierungen beschlagnahmt. Auf dem Rechner des 19-jährigen Anführers der Gruppe, der inzwischen ins Ausland geflüchtet ist, fanden sich Hinweise auf Kontakte zu rechtsextremen Organisationen in den USA und Russland.

Nun ist Israel entsetzt. Dass sich gerade im Land der Holocaustopfer Nazis aufhalten könnten, scheint vielen unfassbar. Der stellvertretende Premierminister Eli Jischai erklärte, es handele sich nicht um einen Ausnahmefall, die Polizei bestritt dies aber.

Nun will man hart durchgreifen. Jischai fand mit seiner Forderung, den Jugendlichen die israelische Staatsbürgerschaft abzuerkennen und sie abzuschieben, großen Zuspruch in den Massenmedien. Manchen ging das nicht weit genug: Abgeordnete aus dem gesamten politischen Spektrum fordern eine Änderung der Einwanderungsgesetze.

Da Israel sich als Zuflucht aller Menschen versteht, die in der Welt als Juden verfolgt werden, haben Nachkommen von Juden bis in die zweite Generation ein sofortiges Anrecht auf Staatsbürgerschaft. Das steht im Gegensatz zur traditionellen Definition, laut der nur das Kind einer jüdischen Mutter Jude ist. Kraft des "Rückkehrrechts" wanderten in den Neunzigerjahren mehr als eine Million Bürger der ehemaligen Sowjetunion nach Israel aus. Zehntausende, nach manchen Schätzungen hunderttausende Einwanderer machten vom Rückkehrrecht aus wirtschaftlichen Gründen Gebrauch, ohne einen Bezug zum Judentum zu haben.

Die festgenommenen Jugendlichen fallen laut Angaben der Polizei in diese Gruppe. Sie empfänden sich als "weiße Christen", sagte ein Polizist, der die Verdächtigen verhört hatte. Andere Einwanderer nutzten das automatische Anrecht auf Staatsbürgerschaft, um in ihren Heimatländern strafrechtlichen Verfahren zu entgehen. Dies will der Staat nun ändern. "Es ist Zeit, endlich eine vernünftige Einwanderungspolitik zu formulieren", forderte Innenminister Meir Schitritt. Er will, dass Einwanderer die Staatsbürgerschaft künftig erst nach einer Wartezeit erhalten, in der sie nachweisen müssen, keinen kriminellen Hintergrund und Mindestkenntnisse des Hebräischen erworben zu haben.

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