Israel und die Waffenruhe: Einwandfreie Raketenabwehr
Die Einzelheiten des Abkommens mit der Hamas werden noch verhandelt. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sieht sich aber schon als klarer Sieger.
JERUSALEM taz | Die Feuerpause zwischen Israel und der Hamas scheint zu halten. Bis das Abkommen am Mittwochabend in Kraft trat, gingen beide Seiten noch einmal heftig aufeinander los. Danach wurde es schlagartig ruhiger.
Zwar gab es am Donnerstag noch vereinzelt Raketenalarm auf israelischer Seite. Doch die israelische Luftwaffe blieb am Boden. Die Schulen in den Ortschaften rund um den Gazastreifen blieben am Donnerstag noch geschlossen. Auch die rund 40.000 Reservisten, die für einen eventuellen Einmarsch mobilisiert wurden, sollen erst in den kommenden Tagen nach Hause geschickt werden.
Erst in den nächsten Tagen werden auch die Einzelheiten des Abkommens verhandelt werden. „Wir sind uns alle im Klaren darüber, dass noch zahlreiche Details geregelt werden müssen, um einen umfassenden und anhaltenden Waffenstillstand zu erreichen“, meinte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der mit der ägyptischen Regierung und den USA die Einigung vorangetrieben hatte. Bei den achttägigen Gefechten zwischen den Islamisten und Israels Luftwaffe kamen im Gazastreifen 150 Menschen zu Tode, auf israelischer Seite gab es fünf Todesopfer.
Das Übereinkommen verpflichtet zunächst beide Seiten zur unbedingten Einstellung aller Kampfhandlungen. Im Gazastreifen rief die Hamas am Donnerstag einen nationalen Feiertag aus. Tausende feierten noch in der Nacht zu Donnerstag ihren „Sieg“. Chaled Meschal, Chef des Politbüros der Hamas, erklärte die israelische Operation für „misslungen“. Sämtliche Übergänge zum Gazastreifen würden wieder geöffnet werden, meinte er in Kairo.
Kontrolle an den Grenzübergängen
Eine Öffnung der Grenzen nach Israel macht Sicherheitsabsprachen zwingend. Vor allem Lastwagen mit Exportware müssen vor der Ausreise aus dem Gazastreifen kontrolliert werden. Bis zum Sommer 2007, als die Hamas die Kontrolle über den Gazastreifen übernahm, regelte die Präsidentschaftsgarde der Fatah den Grenzverkehr. Am Übergang Rafah nach Ägypten war damals ein europäisches Kontrollteam mit im Einsatz. Verteidigungsminister Ehud Barak gab sich entspannt. „Es ist doch egal, ob jetzt ein paar mehr Möbel vom Gazastreifen ins Westjordanland kommen oder ein paar Erdbeeren weniger“, sagte er der Zeitung Haaretz.
Was für die Israelis über die letzten Tage ein riesiger Erfolg war, ist die einwandfreie Funktion des Raketenabwehrsystem „Eisenkuppel“. Günstig lief auch die PR-Kampagne des Außenministeriums. Die westlichen Regierungen hielten sich an die Version, dass die Hamas die Verantwortung für die Gewalt trage, und betonten Israels Recht zur Selbstverteidigung.
Das Dreierteam in Jerusalem von Regierungschef Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Barak und Außenminister Avigdor Lieberman gab sich insgesamt nicht weniger siegreich als die Führung der Hamas. „Wir haben alle unsere Ziele erreicht“, meinte Barak. Es sei um die Wiederherstellung von Israels Abschreckungskraft und um ein Ausdünnen des Raketenarsenals der Hamas sowie ein Ende der Angriffe aus dem Gazastreifen gegangen. Oppositionsführer Schaul Mofas von der Kadima findet, dass die Militäroperation verfrüht beendet wurde. In Sderot demonstrierten noch in der Nacht Hunderte Menschen gegen die Feuerpause und forderten den Rücktritt von Netanjahu.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Ehud Barak der größte Gewinner des Feldzugs ist und sich um seinen Einzug in die Knesset bei den Wahlen im Januar nicht zu sorgen braucht. Netanjahu kann nur hoffen, dass die Hamas die Feuerpause einhält. Sollte das nicht geschehen, dürften ihm die Wähler im Süden des Landes die Rechnung präsentieren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart