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Israel und Libanon im Streit um GasfelderRückzug kurz vor der Einigung

Das Abkommen über Grenzziehungen im Meer liegt vorerst auf Eis. Der Libanon hatte noch Änderungswünsche, die Israel nicht akzeptieren wollte.

Im südlichen Teil vom Karish-Gasfeld sind schon längst Bohrschiffe unterwegs Foto: Ari Rabinovitch/reuters

Tel Aviv/Beirut taz | Zunächst sah es nach einem Durchbruch aus. Doch das mit Hilfe der USA ausgehandelte Abkommen im Streit um die Gasfelder vor den Küsten des Libanon und Israels ist am Donnerstag schließllich nicht unterschrieben worden. Israel lehnte einige Änderungen, die der Libanon noch einbringen wollte, ab. Ministerpräsident Yair Lapid betonte, Israel werde „seine Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen“ in keinster Weise gefährden, auch wenn dies bedeute, dass es am Ende kein Abkommen mit dem Libanon geben werde.

Das war ein Rückschlag für Libanons Führung. Diese benötigt dringend ein Signal für die Linderung der Wirtschaftskrise im Land. „In der Praxis haben wir alles erhalten, worum wir gebeten haben“, sagte der Vize-Parlamentssprecher Elias Bou Saab noch am Dienstagabend dem lokalen Sender LBCI. Am Donnerstag Morgen gratulierte sich Libanons Interims-Ministerpräsident Nadschib Mikati selbst und sagte öffentlich, dass ein diplomatischer Erfolg der Region einen neuen Krieg ersparen würde. Doch dann kam die Absage Israels am Abend.

Israel und der Libanon streiten sich seit Jahrzehnten um die Grenzziehung im Meer. Bei den Verhandlungen geht es vor allem um zwei Gasfelder vor der Küste zwischen Haifa und Sidon: Kana und das südlich darunter liegende Karish. 2012 schlug der damalige US-Vermittler Frederic Hof einen Kompromiss vor, der das Gebiet zu 55 Prozent dem Libanon und zu 45 Prozent Israel zugeschlagen hätte. Doch die libanesische Regierung lehnte dies ohne Grund ab, die Verhandlungen lagen auf Eis.

Als Israel im Juni signalisierte, dass die Gasförderungen im südlichen Teil von Karish beginnen würden, drohte Hassan Nasrallah, Parteiführer der schiitischen Partei und Miliz Hisbollah, die Offshore-Gasinfrastruktur anzugreifen, falls sich die Länder zuvor nicht auf eine Grenze geeinigt haben sollten. Israel und Libanon nahmen die Verhandlungen wieder auf, mithilfe der USA.

Der jüngste Vorschlag des derzeitigen Vermittlers Amos Hochstein wurde nicht öffentlich gemacht, genauso wenig wie die Modifikationen, die der Libanon daran vornehmen wollte. Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete allerdings von zwei Änderungswünschen seitens des Libanons und berief sich dabei auf israelische Sicherheitsbeamte.

Die eine vom Libanon vorgebrachte Änderung sah vor, dass eine der Grenzlinien nicht als „Status Quo“ sondern als de-facto-Grenze bezeichnet werden sollte. Israel hatte diese zuvor mit einer Reihe von Bojen markiert. De-Facto, so zitiert Haaretz einen israelischen Beamten, würde allerdings bedeuten, dass der Teritorialstreit doch noch nicht beendet ist.

Bei der zweiten von Israel abgelehnten Änderung geht es laut Haaretz um die Rolle der libanesischen Regierung in Bezug auf das Kana-Gasfeld. Laut dem Kompromissvorschlag sollen Teile des potentiellen Gewinns aus diesem Gasfeld an Israel gehen, jedoch ausschließlich über den privaten Betreiber und nicht über staatliche Stellen in Beirut. Der Libanon wollte diese Klausel neu formulieren.

Eine Übereinkunft mit dem Libanon liegt durchaus in Lapids Interesse, alleine schon, um eine Eskalation mit der Hisbollah kurz vor den israelischen Parlamentswahlen am 1. November zu vermeiden. US-Präsident Joe Biden, auf dessen Unterstützung Israel an verschiedenen Fronten angewiesen ist, drängt auf eine Einigung, auch der Militärchef Aviv Kochavi und der Mossad unterstützen einen solchen Schritt.

Der Oppositionsführer und frühere Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vom rechten Likud nutzt jedoch das Abkommen als Kanonenfutter. Am Montag, als die Zeichen noch auf Verständigung standen, warf er Lapid vor, gegenüber der feindlichen Hisbollah einzuknicken. Lapid übergebe, so twitterte Netanjahu, „ein riesiges israelisches Gasvorkommen an die Hisbollah“.

Israelische Truppen in Alarmbereitschaft

Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz hat am Donnerstag die israelischen Truppen im Norden des Landes in Alarmbereitschaft versetzt. Das Militär solle sich auf ein „Eskalationsszenario im Norden“ vorbereiten, „sowohl offensiv als auch defensiv“, hieß es in einer Erklärung aus Gantz' Büro.

Hisbollah hatte erneut bekräftigt, Israel anzugreifen, falls diese mit den Bohrungen in den umstrittenen Gasfeldern fortfahren würden. Dabei ist auch der schiitischen Organisation an einer Einigung gelegen. Nicht nur der Libanon, auch der Iran – aus dem die Hisbollah ihr Geld bezieht – befindet sich in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. Hisbollah-Chef Nasrallah hatte am Dienstag sogar bestätigt, dass seine Partei hinter dem Kompromissvorschlag stünde. Die Organisation möchte nur nicht, dass dieser als Auftakt zu normalen Beziehungen mit Israel wahrgenommen werden könnte.

Die Verhandlungen sind nicht abgebrochen, die USA vermitteln weiterhin. Sowohl der Libanon als auch Israel haben kein gesteigertes Bedürfnis nach kriegerischen Auseinandersetzungen. Libanons Präsident Michel Aoun hatte sich stark für ein Abkommen eingesetzt – um dieses als politischen Sieg zu präsentieren, bevor seine Amtszeit am 31. Oktober endet. So gibt es unter sämtlichen Parteien Hoffnungen, dass es doch zu einer Einigung kommt, wahrscheinlich nach den Wahlen in Israel.

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