Israel startet Sanktionen: Kein Strom für Gaza
Mit zeitweise gekappter Stromzufuhr reagiert Israel auf den palästinensischen Raketenbeschuss. Geplant ist auch, die Lieferungen von Öl und anderen Waren zu reduzieren.
JERUSALEM taz Einen Monat nachdem die israelische Regierung den Gazastreifen zum "feindlichen Gebiet" erklärte, macht Verteidigungsminister Ehud Barak ernst. Noch Sonntag Abend sollte zunächst die Stromzufuhr für 15 Minuten bis 1 Stunde gekappt werden. Geplant ist außerdem die Verringerung der Öllieferungen und in einer späteren Phase die Einschränkung von Warenlieferungen. Israel reagiert damit auf den anhaltenden Beschuss mit Kassamraketen aus dem Gazastreifen. Vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv demonstrierten am Sonntag junge Friedensaktivisten gegen "die Kollektivstrafe", mit der Barak nur "neue Terroristen schaffe".
Die Sanktionen sind der vermutlich letzte Versuch der Regierung, die Angriffe aus dem Gazastreifen mit unblutigen Mitteln zu unterbinden. Barak hatte schon vor Wochen angekündigt, dass eine neue langfristig angelegte Großoffensive im Gazastreifen lediglich eine Frage der Zeit sei. Die Armee zögert damit vorläufig, da frühere Invasionen das Ziel, die Angriffe zu verringern, nie erreichten. Ähnlich ergebnislos blieben bisherige Versuche, durch erhöhten Druck auf die Bevölkerung Einfluss auf die Kämpfer zu gewinnen.
"Ihr (Israels) Ziel ist, unser Volk auszuhungern und entwürdigende Kompromisse einzugehen", kommentierte Hamas-Sprecher Fawsi Barhoum die israelische Maßnahme. Auch die palästinensische Führung im Westjordanland verurteilte die israelische Entscheidung. "Die Menschen dürfen nicht für den blutigen Coup der Hamas bestraft werden", appellierte Saeb Erikat (Fatah), Exunterhändler bei den Friedensgesprächen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einer "unterdrückenden Maßnahme", mit der "die Tragödie der 1,5 Millionen Menschen im Gazastreifen" noch verschlimmert werde.
Der Gazastreifen bezieht gut die Hälfte des Stroms aus Israel, ein kleiner Teil kommt aus Ägypten und etwa ein Drittel wird von den Palästinensern selbst produziert. Israels Vizeverteidigungsminister Matan Wilnai (Arbeitspartei) nannte die Reduzierung der Stromlieferungen aus Israel einen "weiteren Schritt der Abkoppelung vom Gazastreifen", der im Sommer 2005 mit dem Abzug der Soldaten und Siedler begann. Es handelte sich "nicht um eine Politik der kollektiven Bestrafung", so Wilnai. Der Vizeverteidigungsminister räumte offen ein, dass die Sanktionen kaum zu einer Einstellung der Raketenangriffe führen werden. Meretz-Chef Jossi Beilin nannte die Maßnahme "so dumm wie gefährlich". Die Sanktionen würden "nicht nur die Hamas stärken und die Not im Gazastreifen intensivieren, sondern auch Israels internationales Ansehen schädigen".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins