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Israel in den besetzten GebietenAbu Rahma weiter im Knast

Der Aktivist wartet auf seine Freilassung. Israel versucht so erneut, den gewaltfreien palästinensischen Widerstand zu brechen.

Abdallah Abu Rahma, der Cheforganisator des gewaltfreien Widerstandes gegen die israelische Besatzung Foto: Privat

Jerusalem taz | Obwohl Abdallah Abu Rahma seit mehr als zehn Tagen im Gefängnis festgehalten wird, ist die Entscheidung über eine Anklageerhebung erneut vertagt worden. Abu Rahma hatte am vorvergangenen Freitag an einer politischen Fahrradtour von Ramallah nach Bil’in teilgenommen, um so an die Nakba zu erinnern, den Beginn der palästinensischen Vertreibung und Flucht.

Der Palästinenser aus Bil’in, der stets den friedlichen Widerstand gegen die israelische Besatzung predigt, war am 15. Mai in ein Wortgefecht mit Soldaten geraten, die ihn kurzerhand abführten.

Am Mittwoch hatte ein Militärgericht die Haft bis Sonntag verlängert, um der Staatsanwaltschaft der Armee einen Einspruch zu ermöglichen. Am Sonntag sollte Abdallah dann gegen eine Kaution von rund 3.500 Euro freikommen.

Der vierfache Familienvater war im letzten Jahr zu einer Bewährungsstrafe und Bußgeld verurteilt worden. Mit seiner Teilnahme an der politischen Fahrradtour gilt er als Wiederholungstäter. Abu Rahma hatte schon bei der Verurteilung angekündigt, „weiter zu demonstrieren und für unsere Rechte zu kämpfen“. Für drei Jahre hätte er genau das sein lassen sollen, so die Strafe des Richters für Abu Rahma, der versucht hatte, einen israelischen Bulldozer beim Bau einer Mauer zu stoppen.

Militärrichter wollte Abu Rahma freilassen

Ein von seinen Mitstreitern aufgezeichnetes Video zeigt den Zusammenstoß der palästinensischen Radfahrer mit den Soldaten, die offenbar schon auf sie gewartet hatten. Abu Rahma beharrt gegenüber den Israelis, dass dies „mein Land ist“, worauf einer der Militärs ihn wegzuzerren versucht, bis schließlich die Order kommt, Abu Rahma zu verhaften.

Binnen kürzester Zeit ist der Palästinenser von Soldaten umzingelt, sie zwingen ihn gewaltsam zu Boden und führen ihn ab. Nach Auskunft von Mohammad al-Chatib, einem Freund Abu Rahmas, forderte der Militärrichter in der ersten Verhandlung aufgrund der Videoaufnahmen die sofortige Freilassung Abu Rahmas und eine Untersuchung gegen die israelischen Sicherheitsleute.

Abu Rahma gehört zu den Gründern des Volkskomitees Bil’in, das seit über zehn Jahren mit wöchentlichen gewaltlosen Demonstrationen gegen die Enteignung palästinensischen Landes und die Errichtung der Mauer auf dem Gebiet des kleinen Grenzortes protestiert.

„Unser Kampf zermürbt die Soldaten“, erklärt Abu Rahma. Vor acht Jahren ist Bil’in dafür mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille der Liga für Menschenrechte in Deutschland ausgezeichnet worden. Zudem verlieh die Europäische Union Abu Rahma ein Jahr später den Titel „Verteidiger der Menschenrechte“.

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10 Kommentare

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  • Wie Ulrich W. Sahm hier: http://www.hagalil.com/2011/01/einmischung/

    schreibt, organisiert Abu Rahma illegale Demonstrationen, und bei diesen Demonstrationen kommt es immer wieder zu Gewalttätigkeiten der Demonstranten in Form von Angriffen auf Soldaten und Sicherheitskräfte oder Zerstörungen von Baugeräten, zu Verletzten und auch zu Toten.

     

    Da ist meiner Meinung nach das Etikett "gewaltfrei" fehl am Platz.

    • @kdw59:

      Sie wissen aber schon, dass alle Demonstrationen im Westjordanland illegal sind und hier eine Besatzerjustiz ausgeübt wird, die jeden Widerstand für inakzeptabel hält?

      • @Max Mutzke:

        In der Tat sind im Westjordanland illegale Demonstrationen illegal. Gewalttätige Demonstrationsakte sind immer illegal. Gilt übrigens auch in Deutschland und in Berlin, selbst nach Ende des Besatzungsrechts (oder, wie Sie es nennen, der Besatzerjustiz).

        • @TurboPorter:

          Wann gab es denn die letzte "legale" Demonstration im Westjordanland, von wem wurde sie veranstaltet und gegen wen oder was wurde dabei demonstriert?

           

          Vielleicht ist es ja vielmehr so, dass es in einem illegal besetzten Gebiet wie dem Wetjordanland keine "legale" Demonstration geben kann, weil es keine Rechtsnormen nach dem Standard westlicher Demokratien dort geben kann, lediglich das Militärrecht, was nichts weiter als das Recht des Stärkeren bedeutet.

           

          Nicht die Demonstrationen gegen die Besatzung sind "illegal", die Besatzung selbst ist ein Akt illegaler und menschenverachtender Barbarei. Zumindest nach allen Vorstellungen und Übereinkommen unter zivilisierten Staaten.

          • @cursed with a brain:

            Mir scheint, Sie verwechseln Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde. Demonstrationsfreiheit, politische Opposition usw. sind tatsächlich nicht sehr hoch auf der Agenda der Autonomiebehörde - und werden entsprechend zunehmend unterdrückt. Dazu z.B. der Bericht "Schleichende Erosion demokratischer Strukturen im Westjordanland" - http://www.kas.de/wf/doc/kas_32046-1522-1-30.pdf?120911110209

      • @Max Mutzke:

        Legal oder illlegal ist eine Sache, gewaltfrei oder nicht gewaltfrei ist eine andere.

        • @kdw59:

          Wenn das israelische Militär bei diesen Demonstrationen mit Gummigeschossen und Tränengas in die Menge schiesst, um Massenpanik auszulösen und dabei dann menschen schwer verletzt werden oder gar zu Tode kommen, dann ist das wohl kaum dem Veranstalter der Demonstration anzulasten.

          http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3702569,00.html

          http://australiansforpalestine.com/21110

           

          Wer den mit internationalen Preisen ausgezeichneten Film "5 broken cameras" gesehen hat, der kann sich nicht vor der Erkenntnis verschliessen, dass die "Gewalt" und die illegalen Aktionen im wesentlichen von den Besatzern, illegalen Siedlern und israelischem Militär ausgeht.

           

          Die in diesem Film dokumentierten Rechtsverletzungen sind mannigfaltig und barbarisch. Man schreckt nicht mal davor zurück, nachts in die Häuser der Dorfbewohner einzubrechen und Kinder zu entführen, um so Druck auf die Erwachsenen auszuüben. Selbst Gerichtsurteile der israelischen Justiz GEGEN die verbrecherischen Aktionen von Siedlern und Militär haben praktisch keine Auswirkungen, sie werden schlicht ignoriert.

           

          Der Staat Israel hat bezüglich der Vorgänge in Bil'in, vertreten durch seine radikalfaschistischen Siedler und sein totalitäres Militärregime, jeglichen Anspruch auf Anerkennung als "Demokratie und Rechtsstaat" nach westlichen Maßstäben verspielt.

          • @cursed with a brain:

            ""5 broken cameras" - Erinnert mich an ein Pressefoto aus Palästina von vor ein paar Wochen: 1 Steinewerfer, umgeben von gleich 4 Journalisten, die den Event dokumentieren.

             

            Dass die palästinensische Seite, unterstützt von - im besten Fall - gutmenschelnden Westaktivisten Gewalt medial inszeniert und kameragerecht aufbereitet, ist vielfach bekannt (*).

             

            Nehmen Sie nicht alles, besser noch: nur einen Bruchteil, für Wahrheit, was Sie in in Filmen sehen - so viel Medienkritik darf man im 21. Jahrhundert schon erwarten.

            ---

            (*) ein noch harmloser Bericht des ARD-Korrespondenten z.B. hier: http://m.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/ueber-gaza-berichten-gegen-die-bilder-ist-unser-text-machtlos-13078468.html

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Zudem verlieh die Europäische Union Abu Rahma ein Jahr später den Titel „Verteidiger der Menschenrechte“ .... was gemessen an dem Umstand, dass die EU geführt von Deutschland die Besatzung und damit die Völkerrechtsvebrechen Israels mit Steuererleichterungen und Fiunanzhilfen mitfinanziert, ziemlicher Hohn ist.

     

    Hohn ist es auch, in den Deutschen Medien nie mitgeteilt zu bekommen, was unser Gesetz und unsere Richter zu den Raub- und Menschenrechtsverbrechen Israels, insbesondere bei der Landraubmauer, angemahnt haben:

     

    - Israel is under an obligation to terminate its breaches of international law

    -Israel is under an obligation to make reparation for all damage caused by the construction of the wall in the Occupied Palestinian Territoryincluding in and around East Jerusalem

    -All States are under an obliation not to recognize the illegal situation resulting from the construction of the wall and not to render aid or assistance in maintaining the situation created by such construction;

    - Israel is under an obligation to terminate its breaches of international law

    -Israel is under an obligation to make reparation for all http://www.icj-cij.org/docket/index.php?pr=71&code=mwp&p1=3&p2=4&p3=6&ca

     

    Die Anteilnahme mit dem Freiheitskämpfer Rhama oben im Artikel ist ohne diese Hintergrundinformationen genauso viel wert, wie die leere Auszeichnung der EU. Denn solange man mit Kritik oder Sanktionen gegen die Täter spart, die vom IGH basierend auf unsere Gesetze EXPLIZIT eingefordert sind(!), unterstützt man nur die Täter der vom IGH als solche bewerteten Raub- & Menschenrechtsverbrechen.

     

    Aber was ein Glück, dass man solche elementare Hintergrundinformationen zumindest im Kommentarbereich angeboten bekommt.

    • @1393 (Profil gelöscht):

      Für die einen ist es eine "Landraubmauer", für die anderen der - äusserst erfolgreiche - Versuch, die aus den palästinensichen Gebieten heraus stattfindenden Mordanschläge zu unterbinden.

       

      Im übrigen: Freiheits*kämpfer*? Ihre martialische Rhetorik ist etwas unappetitlich. Gekämpft hat Rahma ja gemäss Artikel nicht, sondern demonstriert(*). Und dabei Bewährungsauflagen verletzt.

      ---

      (*) wobei andere öffentlich zugängliche Quellen von einer Verurteilung wegen Steinewerfens, im Amtsdeutsch wohl: versuchte gefährliche Körperverletzung, sprechen. „Ein Stein bringt ein Jahr Freiheitsstrafe, das ist bei uns [in Deutschland] die Faustregel“