■ Israel: Die Männer der Sicherheit bestimmen die Politik: Ein altes Lied
Israels Premier Ehud Barak hofft, die libanesische Front so lange ruhig zu halten, bis er seinen nach der Wahl angekündigten Rückzug aus dem Südlibanon ohne größere Blessuren beginnen kann. Man sollte meinen, dass in einer derartigen Situation im Südlibanon auch von den israelischen Militärs Zurückhaltung angesagt wäre. Weit gefehlt: Die Gelegenheit, mit Abu Hassan einen der meistgesuchtesten Militärkader der Hisbullah in die Luft zu jagen, wollte man sich dort keineswegs entgehen lassen.
Was jetzt kommen wird, dürfte kaum im Sinne des vermeintlich auf Frieden bedachten Barak sein. Israel werde diese Tat bereuen, ließ die Hisbullah unverzüglich verlauten. Dass dies keine leeren Worte sind, hat die Miliz bereits mehr als einmal bewiesen: Einen Monat nachdem Hisbullah-Generalsekretär Abbas Mussawi 1992 durch eine von einem israelischen Hubschrauber Rakete ums Leben kam, flog in Argentinien die israelische Botschaft in die Luft. Und selbst, wenn es jetzt nicht zu einer solch spektakulären Aktion kommen muss: Die Eskalation des Krieges im Südlibanon ist vorprogrammiert.
Man sollte meinen, dass israelische Politiker und Militärs aus ihren alten Fehlern gelernt haben. Wir erinnern uns: Kurz vor den Wahlen zum palästinensischen Legislativrat Anfang 1996 entbrannte innerhalb der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas eine heftige Diskussion, ob sich die Organisation vielleicht doch an den Institutionen der palästinensischen Selbstverwaltung beteiligen sollte. Just zu diesem Zeitpunkt wollte sich die israelische Sicherheit eine andere Gelegenheit nicht entgehen lassen. Per Fernbedienung jagte der israelische Geheimdienst Jahia Ajasch den als „der Ingenieur“ bekannten Hamas-Bombenbastler in Gaza in die Luft.
Mit der Hamas-Beteiligung an der Selbstverwaltung war es daraufhin vorbei. Stattdessen verlegte sich Hamas auf eine Reihe von Selbsttmordattentaten in Tel Aviv und Jerusalem. Lag der damalige Ministerpräsident Schimon Peres bei den Meinungsumfragen vor dem Anschlag auf Ajasch noch weit vor seinem Opponenten Benjamin Netanjahu, verlor er mit den Hamas-Anschlägen doch stetig an Populariät – und wenige Monate darauf die israelischen Wahlen.
Man sollte meinen, dass Barak aus den Fehlern seiner Vorgängers gelernt hat, dass es manchmal vielleicht politisch besser wäre, die ein oder andere Gelegenheit zum Zuschlagen ungenutzt verstreichen zu lassen. Karim El-Gawhary
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