Islamistische Täter vermutet: Viele Opfer bei Anschlägen in Indien

Eine Bombenserie in Delhi hat über 20 Tote und Dutzende Verletzte gefordert. "Indische Mudschaheddin" haben sich zu den Anschlägen bekannt.

Ein verletzter Mann und sein Kind auf einer Polizeiwache in Neu Delhi. Bild: ap

DELHI taz Sagar Sharma steht an seinem Kautabak- und Zigarettenstand auf Delhis Greater-Kailash-Markt. Der Mittvierziger hat rote Augen und sieht aus, als habe er die ganze Nacht nicht geschlafen. Er deutet auf Löcher in der Markise über seinem Stand und amtet tief durch. "Da sind die Schrapnelle eingeschlagen." Direkt davor haben Schrauben und Metallkugeln etliche kleine Löcher in den Asphalt gerissen. Sharma stand nur knapp fünf Meter entfernt, als am Samstagabend eine Bombe direkt vor seinem Stand detonierte. Dass hier niemand ums Leben gekommen ist, war reiner Zufall. Denn Hunderte Menschen drängten sich zum Zeitpunkt der Explosionen in der teuren Einkaufsstraße.

Anderswo in Delhi hatten die Menschen weniger Glück. 21 starben, etwa hundert wurden teils schwer verletzt, als kurz nach 18 Uhr binnen einer halben Stunde fünf Sprengsätze detonierten. Alle Explosionen trafen belebte Orte: gut besuchte Märkte, den Zugang zu einer U-Bahn-Station und einen Park. Doch es hätte noch schlimmer kommen können, wenn vier weitere Sprengsätze explodiert wären, deren Zünder offenbar versagt hatten.

Nur wenige Minuten vor den Explosionen hatten mehrere Fernsehsender und Zeitungen Bekenner-E-Mails der "Indischen Mudschaheddin" erhalten. Die bis vor kurzem unbekannte Gruppe hatte sich bereit zu den Anschlägen in der Touristenstadt Jaipur im Mai bekannt, bei denen 63 Menschen gestorben waren, und zu einer verheerenden Anschlagserie in der Stadt Ahmedabad im Juli, die 56 Tote forderte. Keine der Taten konnte bislang aufgeklärt werden. Nach den Anschlägen von Delhi wurden jedoch rund ein Dutzend Verdächtige vorläufig festgenommen und befragt.

Vermutet werden die Täter im Umfeld der verbotenen "Islamischen Studentenbewegung Indiens" (SIMI), die der Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba (LeT) nahestehen soll. Die LeT hat bis 2003 Sicherheitskräfte im indischen Teil Kaschmirs angegriffen. Ein Sturm auf das Parlament 2001 durch bewaffnete LeT-Anhänger brachte die Atommächte Indien und Pakistan an den Rand eines Krieges; Pakistan hatte die LeT bis dahin als "Freiheitskämpfer" offen protegiert. Auf Druck der USA verbot Präsident Musharraf sie und ließ einige Anführer kurzzeitig festnehmen.

Die Bekenner-E-Mail zu den Anschlägen vom Wochenende legt diese Verbindung nahe. Darin bezogen sich die Täter auf die Opfer der jüngsten Proteste im indischen Teil Kaschmirs. Dort haben indische Paramilitärs in den letzten Wochen immer wieder Demonstranten erschossen.

Der Riss zwischen Hindus und Muslimen hat sich vertieft, seit im Jahr 2002 Anhänger militanter Hindu-Organisationen und der hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP) im Bundesstaat Gujarat bei Pogromen tausende Muslime getötet haben. Kaum ein Mörder von damals wurde bisher verurteilt. Gujarats BJP-Ministerpräsident Narendra Modi, der zu den Morden aufgerufen haben soll, wurde erst Ende des vorigen Jahres erneut von der Hindu-Mehrheit seines Bundesstaates im Amt bestätigt.

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