Irland verlässt Rettungsschirm: Der keltische Tiger soll wieder beißen
Irland will ab Dezember als erstes Land der Eurozone den Rettungsschirm verlassen. Zuvor soll es ein weiteres Sparpaket geben.

BERLIN taz | Nach jahrelangen Horrormeldungen können die Finanzminister der Eurozone endlich mal wieder anstoßen. Es geht am Montag und Dienstag in Luxemburg mal nicht nur um das Hickhack rund um Bankenaufsicht und -abwicklung, sondern auch mal um ein Gewinnerthema: Die Zahl der Krisenländer sinkt – wahrscheinlich. Wenn alles gut geht, will Irland als erstes der von den Euro-Rettungsfonds gestützten Krisenländer ohne neue Hilfen über die Runden kommen.
Irland sei „auf dem Weg, am 15. Dezember aus dem EU-IWF-Rettungsprogramm auszusteigen“, sagte Ministerpräsident Enda Kenny am Wochenende. „Und wir kehren nicht zurück.“ Das heißt, das Irland mit seinen Staatsanleihen ab Ende des Jahres wieder um die Gunst von Investoren buhlen will – wie andere kreditwürdige Staaten der Welt auch.
Jahrelang hatte sich das für Dublin wegen zu hoher Risikoaufschläge nicht gelohnt. Noch unklar ist, ob die Europäische Zentralbank (EZB) die Rückkehr an die Kapitalmärkte mit einer Kreditlinie stützt.
Derzeit müssen noch Griechenland, Portugal und Zypern mit Rettungspaketen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) gestützt werden. Spanien erhielt Kredite zur Stützung des Bankensektors. Seit 2010 haben die Iren 67,5 Milliarden Euro an Krediten erhalten; zum Jahresende wäre das Programm regulär ausgelaufen.
Wenn die Rückkehr an die Märkte fehlschlägt, wäre das bitter für die Verfechter harter Sparmaßnahmen in Berlin und Brüssel. Es würde auch zeigen, dass die im Gegenzug für die Hilfen auferlegten Kürzungspakete die Etats der Euro-Patienten nicht nachhaltig saniert, sondern zerstört haben.
Es riecht nach Aufschwung
Aber derzeit riecht es in Irland wieder etwas nach Aufschwung. Der Bausektor ist nach am Montag veröffentlichten Zahlen erstmals seit sechs Jahren wieder gewachsen. Der Häusermarkt des einstigen „keltischen Tigers“ war im Zuge der Finanzkrise eingebrochen, weil günstige Kredite nicht mehr zu bekommen waren.
2007 hatte die Branche noch fast ein Viertel zum irischen Bruttoinlandsprodukt beigetragen, heute sind es nur noch rund sechs Prozent. Gleichzeitig sank die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zu heute um zwei Drittel. Zuvor hatte Irland eine Riesen-Wachstumsstory hingelegt: zweistellige Wachstumsraten, zehn Jahre lang.
Am heutigen Dienstag soll im Parlament das siebte Sparpaket in sechs Jahren verabschiedet werden. Zusätzlich zu den Kürzungen und Steuererhöhungen in Höhe von 28 Milliarden Euro sollen dadurch weitere 2,5 Milliarden Euro gespart werden. Happig für ein Volk von 4,5 Millionen Einwohnern.
Obwohl Irland von der EU stets ein vorbildlicher Reformkurs bescheinigt wird, gibt es große Probleme wie die hohe Arbeitslosigkeit von über 13 Prozent (415.000 Personen) – und die insgesamt weiterhin schleppende Konjunkturentwicklung: Für dieses Jahr rechnet die Regierung in Dublin mit einem Wachstum von 0,2 Prozent – eigentlich hatte sie ursprünglich auf 1,3 Prozent gehofft.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?