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Irland ohne 'Guardian‘

Wegen einer Anzeige mit Adressen von Abtreibungskliniken wurde die Zeitung nicht ausgeliefert  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

„Irland macht sich schon wieder zum Gespött Europas“, schimpfte der Oppositionspolitiker Alan Shatter, nachdem gestern der britische 'Guardian‘ in Irland nicht verkauft werden konnte. Die irische Vertriebsfirma hatte die Auslieferung verweigert. Der Grund: eine ganzseitige Werbeanzeige der „Marie Stopes Organisation“ mit Adressen von Abtreibungskliniken in Großbritannien. Die Edinburgherin Stopes, nach der die Kliniken benannt sind, hatte 1921 im Londoner Stadtteil Holloway die erste „Mütterklinik für Geburtenkontrolle“ eingerichtet. Zwei Jahre später veröffentlichte sie das Buch Verhütung — Theorie, Geschichte und Praxis und geriet so ins Kreuzfeuer öffentlicher Kritik.

In einer Presseerklärung bestritt der 'Guardian‘ gestern, daß er die in Irland ohnehin erbittert geführte Abtreibungsdebatte weiter anheizen wollte. „Wir haben auch in der Vergangenheit Anzeigen für solche Kliniken abgedruckt, was weder in Großbritannien noch in Irland zu Problemen geführt hat“, hieß es in der Erklärung. Im Dubliner Parlament warf unterdesen die Opposition der Regierung vor, ihr Versprechen auf Informationsfreiheit, die im November per Referendum garantiert werden soll, gebrochen zu haben. Premierminister Albert Reynolds betonte jedoch, das Auslieferungsverbot sei allein eine Entscheidung der Vertriebsfirma gewesen.

Seine Partei Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) schloß am Mittwoch den erzkonservativen Senator Des Hanafin „auf unbestimmte Zeit“ aus der Fraktion aus. Hanafin hatte sich vergangene Woche gegen die Ratifizierung des EG-Abkommens von Maastricht ausgesprochen, weil dadurch „Abtreibung in Irland legalisiert“ werde. Sein Ausschluß stieß auf heftigen Widerstand zahlreicher Abgeordneter. Auch in anderen „moralischen Fragen“ muß sich Reynolds auf eine Revolte gefaßt machen. So löste die Gesetzesinitiative zur Legalisierung von Scheidung und Homosexualität sowie zum freien Verkauf von Verhütungsmitteln bereits im Vorfeld eine hitzige Diskussion auf der Fraktionssitzung am Mittwoch aus. Senator Don Lydon warnte seine Parteikollegen, daß Reynolds sie zur Abstimmung darüber zwingen wolle, „ob ein Mann seinen Penis in den Mund oder Anus eines anderen Mannes stecken darf“.

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