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Irans künftiger Präsident Ebrahim RaisiPechschwarze Flecken im Lebenslauf

Ebrahim Raisi ist mitverantwortlich für einen Massenmord. Noch-Präsident Rohani kritisierte ihn als einen, der am Schreibtisch Todesurteile fällt.

Blut an den Händen: Wahlgewinner Ebrahim Raisi am Freitag nach der Stimmabgabe Foto: reuters

Berlin taz | Der frisch gewählte Präsident der Islamischen Republik Iran, Ebrahim Raisi, ist weder charismatisch noch besonders beliebt. Seinen Sieg verdankt er eher einer inszenierten Ernennung als einer klaren Entscheidung des Volkes. Raisi trägt einen schwarzen Turban, weil er angeblich vom islamischen Propheten Mohammed abstammt. Manche behaupten, er habe nur die Grundschule abgeschlossen, er selbst bezeichnet sich als promovierter Jurist.

Wie viele Geistliche im Iran machte Raisi im Zuge der Islamischen Revolution von 1979 rasch Karriere. 1960 in der heiligen Stadt Maschhad geboren, wurde er schon als 20-Jähriger zum Generalstaatsanwalt der Stadt Karadsch ernannt. Seine Aktivitäten und sein hartes Vorgehen in den Revolutionsgerichten zeugten von seiner absoluten Loyalität gegenüber den Grundsätzen und Zielen der Islamischen Republik.

Innerhalb weniger Jahre stieg er zum Generalstaatsanwalt von Teheran auf, wurde dann zum Vizejustizchef ernannt und später zum iranischen Generalstaatsanwalt. Eigentlich deutete seine berufliche Laufbahn nicht auf eine politische Karriere hin.

Erst als der Revolutionsführer Ali Chamenei Raisi zum Verwalter der religiösen Stiftungen in Maschhad ernannte – eine Stellung, die ihm nicht nur religiös, sondern auch wirtschaftlich und politisch große Macht verlieh – zeichnete sich eine Wende in seinem beruflichen Leben ab. In dieser neuen Position konnte Raisi sich erlauben, nach dem zweithöchsten Amt des Staates zu greifen. Doch bei der Präsidentschaftswahl vor vier Jahren scheiterte er im Wettbewerb gegen Hassan Rohani. Seit drei Jahren ist Raisi nun Justizchef.

„Gremium des Todes“

In Raisis Biographie gibt es viele dunkle, ja pechschwarze Flecken. Er gehörte jener 1988 vom damaligen Revolutionsführer Ajatollah Chomeini ernannten vierköpfigen Gruppe an, die als „Gremium des Todes“ bezeichnet wird. Raisi sollte für die „Säuberung“ der Gefängnisse sorgen. Das tat die Gruppe auch gründlich, ließ mehrere tausend Gefangene hinrichten.

Dieser Massenmord ist der größte Schandfleck in der mehr als vierzigjährigen Geschichte der Islamischen Republik. Der damals designierte Nachfolger Chomeinis, Ajatollah Montaseri, ermahnte die Gruppe: „Ihr werdet als schlimmste Verbrecher in die Geschichte eingehen“, sagte er.

Auch für zahlreiche politische Gefangene, die danach hingerichtet wurden, ist Raisi mitverantwortlich. Beim Wahlkampf vor vier Jahren erinnerte Rohani an diese Taten und sagte: „Die Wähler in Iran werden niemals Menschen akzeptieren, die 38 Jahre lang nichts anderes gekannt haben als Hinrichtung und Gefängnis. Sie lehnen Leute ab, die am Schreibtisch Todesurteile fällen.“ Zu dem Vorwurf sagte Raisi einmal, er sei „stolz darauf, gegen Verrat und Verderben und für die Ideale der Revolution“ gekämpft zu haben.

Als Raisi zum Verwalter der religiösen Stiftungen in Maschhad wurde, meinten viele politische Beobachter, Grund dieser Ernennung sei möglicherweise der Plan, ihn als Nachfolger des 82-jährigen Revolutionsführers Chamenei aufzubauen. Seine Wahl zum Präsidenten, bestärkt diese Vermutung. Auch Chamenei war Staatspräsident, als er 1989 vom Expertenrat zum Nachfolger Ajatollah Chomeinis gewählt wurde.

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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Das Regime hat im letzten Jahr mehr als 1000 Menschen getötet, die Korruption der Revolutionsgarden nimmt immer mehr absurde Züge an.

    Selbst die Chinesen sind was Iran angeht skeptisch (der Vertrag zwischen beiden Ländern hat eine Menge Bedingungen und vorallem Absichtserklärungen).

    Das Regime hat abgewirtschaftet, das einzige was es noch an der Macht hält sind Gewalt und das Fehlen einer wirklichen Opposition, aber die Lage kann schnell eskalieren und dann werden Irans Revolutionsgarden und die afghanischen Söldner, sowie Irakische, Syrische und Libanesische Milizen furchtbar wüten. Das wird dann der Test für alle die behaupten sie glauben an die Demokratie. In Syrien konnte man sich noch rausreden das man nicht mit Islamisten gemeinsame Sache macht. Wenn es im Iran zum Aufstand kommt muss sich der Westen entscheiden ob er für Demokratie steht und kämpft oder ob er zuschaut wie Zivilisten massakriert werden.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Zu dem Vorwurf (Mittäterschaft am Massenmord gegen Linke) sagte Raisi einmal, er sei „stolz darauf, gegen Verrat und Verderben und für die Ideale der Revolution“ gekämpft zu haben.""

    ==

    Es war eine linke Bewegung die in der Lage war den Schah zu stürzen - und nachdem der Schah geflohen war eine Republik auszurufen.

    Die linke Bewegung hatte sich mit den religiösen Konservativen fusioniert - um eine breite Front zu bilden die auch die ländlichen Räume einschloss.

    8 Jahre nach der Revolution wurden diese Linken ins Gefängnis geworfen - und größtenteils dort ermordet.

    Warum die Linke dieses Drama zum großen Teil nie erwähnt - sondern diese Massenmorde verschweigt - und sich trotzdem Teile der Linken hinter der Politik des heutigen Iran versammeln kann auch nicht mehr mit ideologischer Borniertheit entschuldigt werden.

  • Mal abwarten. Dass in der Revolution viele Köpfe rollten, wissen wir. Der Mann ist jetzt 40 Jahre älter - entweder weiser, oder noch verbohrter.

  • und warum wird so jemand gewählt? und vor allem von wem?

    • @joaquim:

      Die Berichterstattung in vielen westlichen Medien malt ein völlig verzerrtes Bild der politischen Wirklichkeit im Iran. Das ist eine rechtsextreme Diktatur und alle zur Wahl stehenden Kandidaten sind Vertreter dieses Systems, auch die sogenannten "Reformer". Das hat mit Wahlen und politischer Willensbildung, wie man sich das bei uns vorstellt, nichts zu tun.



      Und der Herrscher ist so oder so der Oberste Führer, nicht der Präsident.

      • @DonkeeeyKong:

        Darüber ist im ausführlich berichtet worden, das im Iran praktisch niemand zur Wahl zugelassen wurde, vor allem nicht die liberaleren Hoffnungsträger.

        Siehe Taz Artikel "Schon vorgewählt"

        taz.de/Praesidents...n/!5777035&s=iran/

        Auch in anderen Medien wutrde darüber berichtet.

        • @Obscuritas:

          Ich frage mich immer wieder, was die "liberalen Hoffnungsträger" auszeichnet, habe aber noch keine stimmige Antwort gefunden.

          • @Jim Hawkins:

            Hacken weniger Köpfe ab. würde ich sagen.

            Es stimmt schon, nach unseren Maßstäben ist dort niemand gemäßigt.

            Aber Nuancen gibt es.

            Und alles was nicht Hardliner war, ist nicht zugelasen worden zur Wahl.

            Zitat:

            "Der moderate Hemmati plädiert für ausländisches Kapital und Produktionen im eigenen Land, um von Importen unabhängig zu sein und den Währungsverfall aufzuhalten."

            Ich würde sagen, die "liberalen Hoffnungsträger" sind diejenigen die eine Öffnung des Landes vorrantreiben wollen anstelle eines Konfrontationskurses gegen den Rest der Welt zu fahren. Also Menschen mit denen man reden kann.

            Alle wirklich progressiven Parteien (die gibt es wohl auch) sind jedoch grundsätzlich verboten.

            Das es zu einer Veränderung durch Wahlen kommt ist derzeit vollkommen ausgeschlossen.

            • @Obscuritas:

              So etwas in der Art wird es wohl sein.

              Dennoch kommt mir die Frage nach "Liberalen" innerhalb der Eliten des Iran vor die Frage, wer denn die "Gemäßigten" innerhalb der NSDAP wären.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @DonkeeeyKong:

        Ich weiß ja nicht, was sie gucken, aber in meiner Realität berichten die Medien korrekt über die klerikalen Verbrecher im Iran...