Iranischer Regisseur Kiarostami gestorben: Bescheiden und aufmerksam
In seinen Filmen spürte Abbas Kiarostami dem Leben und seinen Wendungen nach – und eckte damit oft in seiner Heimat Iran an. Nun erlag er einem Krebsleiden.
In einer mehr als 40 Jahre umspannenden Karriere schuf der gebürtige Teheraner Dutzende Drehbücher und Filme. Seinen wohl größten Erfolg feierte er mit „Der Geschmack der Kirsche“ von 1997, der bei den Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme erhielt. Der Spielfilm handelt von einem Iraner, der sich mit Selbstmordgedanken trägt und jemanden sucht, der seinen Leichnam begraben würde.
„Der Geschmack der Kirsche“ sei der einzige Film, den er nach der Fertigstellung nicht noch einmal gesehen habe, bekannte Kiarostami im Jahr 2014 bei einem Auftritt in Syracuse im US-Staat New York. Denn der Film führe in eine Lebensperiode zurück, an die er lieber nicht nachdenken wolle. Damals wurde „Der Geschmack der Kirsche“ in seiner Heimat auf den Index gestellt, da er aus Sicht der Behörden zu Suizid ermuntere. „Doch in Wahrheit“, erklärte Kiarostami, „war er eine Anregung zum Leben.“
Viel Lob brachte ihm auch sein Film „Die Liebesfälscher“ von 2010 mit Juliette Binoche in der Hauptrolle ein. Dieser handelt von einer Französin, die sich scheinbar mit einem britischen Autor zum ersten Rendezvous verabredet. Doch bald werden Spannungen zwischen ihnen offenbar und der Zuschauer beginnt zwangsläufig zu mutmaßen, dass die beiden sich vielleicht schon kennen und womöglich einmal verheiratet waren. Für die Produktion von „Die Liebesfälscher“ und anderen Filmen musste Kiarostami außerhalb Irans arbeiten, da ihm in seiner Heimat Beschränkungen auferlegt würden.
„Er war einer unserer größten Künstler“
Filmemacher Scorsese lernte Kiarostami nach eigenen Angaben in den vergangenen zehn bis 15 Jahren näher kennen. Einige Kritiker mögen dessen Filme als minimalistisch bezeichnen, doch sei aus seiner Sicht das Gegenteil der Fall, sagte Scorsese. Jede Szene in „Der Geschmack der Kirsche“ und „Wo ist das Haus meines Freundes“ von 1987 fließe von Schönheit und Überraschungen über.
Scorsese beschrieb Kiarostami als „einen ganz besonderen Menschen: still, elegant, bescheiden, wortgewandt und ziemlich aufmerksam.“ Zwar hätten sich ihre Wege zu selten gekreuzt, doch sei er über jedes Zusammentreffen froh gewesen, ergänzte Scorsese. „Er war ein echter Gentleman und wahrlich einer unserer größten Künstler.“
Erst vor wenigen Tagen war Kiarostami gemeinsam mit hunderten weiteren Filmschaffenden als Neumitglied in die Oscar-Akademie eingeladen worden. Mit der Auswahl ihrer Neumitglieder reagierte die Organisation in Hollywood auf Kritik an der mangelnden Vielfalt in ihren Reihen. Die Mitglieder der Oscar-Akademie entscheiden jedes Jahr, wer mit den weltweit begehrtesten Filmpreisen geehrt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!