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Iran läßt die USA ins Leere laufen

■ Trotz Eskalation im Golfkrieg haben Friedensbemühungen von UN–Generalsekretär Perez de Cuellar Fortschritte gebracht / Arabische Außenminister vertagen Entscheidung zum Golfkrieg

Aus Manama William Hart

Auch wenn der Irak seine Luftangriffe auf iranische Ölexporte und Industrieanlagen wiederaufge nommen hat und Iran wieder mit seiner Artillerie irakische Grenzstädte beschießt: die Friedensbemühungen des UN–Generalsekretärs haben Fortschritte gebracht. Das iranische Angebot ist allerdings noch sehr weit von den Punkten der UN–Waffenstillstandsresolution entfernt. Die Truppen sollen nicht sofort nach Beginn der Feuerpause zurückgezogen werden. Iran will erst den Urteilsspruch einer Internationalen Untersuchungskommission abwarten, die den Aggressor im Golfkrieg bestimmen soll. Bedingungen, die Irak nicht zu akzeptieren bereit ist. Die iranischen Streitkräfte halten die irakische Seite des Shatt–al–Arabs mit dem Ölhafen Fao besetzt. Faktisch ist Irak gar kein Golfstaat mehr. Wie Iran zu Kriegsbeginn einem Waffenstillstand ohne Truppenrückzug nicht zustimmen wollte, weil die irakischen Verbände noch Teile der Erdölprovinz Khusiatans besetzt hielten, so ist es heute Irak, der einen Waffenstillstand ohne Truppenrückzug nicht akzeptieren wird. Dennoch zeichnet sich aber auf der iranischen Seite eine größere Kompromißbereitschaft ab. Dabei ist nach wie vor die Frage, ob Iran mit diesen diplomatischen Manövern nur Zeit gewinnen will oder tatsächlich ein Ende des Krieges anstrebt. Die Entscheidung hierüber dürfte in Teheran selbst noch nicht gefallen sein. Sicher ist jedoch, daß die iranische Führung mehr Zeit benötigt, um aus dem Krieg auszusteigen. Noch vor wenigen Wochen wurde der totale Sieg gegen Irak gefordert. Jetzt zeichnet sich ab, daß die Islamische Republik zu einem Frieden bereit ist, der bereits im August 1982 zu erreichen gewesen wäre. Ein Friede, wäre er damals beschlossen worden, mindestens einer Millionen Menschen das Leben gerettet hätte. Heute wird dieser mögliche Friedensprozeß in die Länge gestreckt, um die iranische Kapitulation nicht gar so deutlich sichtbar werden zu lassen. Gleichzeitig läßt die Taktik des Zeitgewinns auch die Möglichkeit einer erneuten Eskalation offen. Denn die Hardliner in Teheran werden nichts unversucht lassen, den Krieg doch fortzusetzen. Aber auch aus einem anderen Grunde braucht Teheran mehr Zeit. Wie bereits das Schah–Regime in den Jahren 1974 und 1975 versucht auch das Regime der Mullahs Voraussetzungen für eine Destablisierung Iraks zuschaffen. Mit Hochdruck werden Regierungsgegner unter den irakischen Kurden ausgerüstet. Ein weiterer Grund, warum Irak nur eine umfassende Lösung akzeptieren wird. Wie 1975 soll die Kurdenfrage in eine Friedensregelung einbezogen werden. In diesem komplizierten Prozeß nützt es Teheran natürlich, wenn die USA gezwungen sind, ein Ultimatum nach dem anderen zurückzunehmen. Aber die neue iranische Kompromißbereitschaft und die diplomatischen Schachzüge Teherans haben auch dazu geführt, daß die arabische Liga sich nicht zu den angedrohten Sanktionen durchringen kann. Sonntag nachmittag verschoben die Außenminister auf ihrer Sondersitzung in Tunis erneut Sanktionsentscheidungen gegen die Islamische Republik. Von Abbruch der Beziehungen mit Teheran wurde nicht mehr geredet. Die Staatschefs sollen jetzt Anfang November entscheiden. Und so kann man davon ausgehen, wenn es schon in der arabischen Welt keine Einheit gibt, wird auch der UN–Sicherheitsrat bis auf weiteres den Beschluß über ein Waffenembargo gegen Iran vertagen. Im Golfkrieg selbst stehen die Kämpfe ganz im Zeichen des diplomatischen Tauziehens. Irak will eine Eskalation, damit der UN–Sicherheitsrat doch bald Sanktionen beschließt. Und die iranischen Vergeltungsangriffe halten sich in Grenzen, eben um die Sanktionen zu verhindern.

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