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■ Iran: Der Dissident Sarkuhi reist nach Deutschland ausMilde Worte, klare Haltung

Auf den ersten Blick scheint es sehr widersprüchlich: Als er noch im Iran war, sparch Faradsch Sarkuhi eine deutliche Sprache, neigte zu beißenden Formulierungen und scharfem Anklageton. „Ich war lebendig begraben“, hatte er kurz nach seiner Freilassung der iranischen Presse mitgeteilt. Doch endlich in Frankfurt angekommen, in der erhofften Freiheit und bei seiner Familie, waren seine Worte plötzlich diplomatisch und allgemein. Keine Einzelheit über die Tortur, keine Information über den Geheimdienst, nichts über das Machtgefüge innerhalb der Islamischen Republik. Wenn man wisse, daß man für die Freiheit inhaftiert sei, lasse sich die Haftzeit besser ertragen, das war's. Woher diese Zurückhaltung?

Einen Grund dafür hat Sarkuhi selbst gestern indirekt erwähnt: Er wolle irgendwann in den Iran zurückkehren und seine kulturelle Arbeit fortsetzen. Wenn dies der Grund sein sollte, warum er seine Kerkermeister gestern nicht vor der durchaus begierigen Presse entlarvte, muß man ihn verstehen. Mehr noch: Diese Haltung verdient Achtung. Denn er kann sich zwar sicher sein, daß er als „Zeuge der Anklage“ in der Öffentlichkeit für eine gewisse Zeit die Aufmerksamkeit der Medien genießen darf, doch als Schriftsteller wird er in einer ihm sprachlich und kulturell fremden Umgebung kaum kreativ sein können.

Man braucht sich nur das Schicksal seiner Kollegen anschauen, die vor ihm ins Exil gingen. „Schriftsteller und Künstler sind Fische, die nicht in jedem Wasser schwimmen können, sie brauchen ein sprachlich vertrautes Umfeld, sonst sind sie als Künstler tot“, sagte einst Sarkuhis Kollege Gholam Hossein Saedi im französischen Exil, bevor er sich das Leben nahm. Dutzende Schriftsteller haben nach der Revolution den Iran verlassen. Sie haben dafür einen hohen Preis gezahlt: Anonymität und Bedeutungslosigkeit.

Sarkuhis Hoffnung, in den Iran zurückzukehren, um dort wieder als engagierter Journalist arbeiten zu können, ist allerdings kein frommer Wunsch. Denn das Land hat sich in jenem Jahr, in dem er inhaftiert war, verändert. Die iranische Presse ist mutiger geworden, die Zensur befindet sich in der Defensive.

„Weiter dürfen sie nicht gehen, sonst werden wir ihnen die Zunge herausschneiden“, drohte der Chef der Revolutionsgarden am vergangenen Donnerstag in der Stadt Ghom den Journalisten. Seitdem wird über diese Äußerung offen in der Presse diskutiert und sogar spekuliert, ob diese Drohungen schon Vorboten eines Putsches sind. Die Behauptung, der Iran befinde sich dieser Tage wieder vor einer historischen Wende, ist keineswegs übertrieben. Ali Sadrzadeh

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