Irakischer Comedian über seine Show: „Selbst der IS schaut zu“
Korruption, Extremismus, Terrorismus. In seiner YouTube-Show beschäftigt sich Ahmed Albasheer mit allem Bösen, das in seiner Heimat Irak geschieht.
taz: Herr Albasheer, Sie waren Journalist. Warum sind Sie Comedian geworden?
Ahmed Albasheer: Meine Absicht war und ist es weiterhin, den Politikern die Stimme des Volkes nahe zu bringen. Im Irak gibt es keine freien Medien. Als ich jedoch gemerkt habe, dass das Volk den Politikern im Land egal ist, habe ich nach einem anderen Weg gesucht, um sie unter Druck zu setzen und Veränderungen zu schaffen.
Und Comedy ist ein geeignetes Druckmittel?
Meiner Meinung nach ist Comedy das beste Druckmittel. Kein Araber sieht es gerne, wenn man auf seine Kosten Witze macht. Um das zu vermeiden, wird er alles daran setzen, um dies zu verhindern – und an sich arbeiten. Comedy ist meiner Meinung nach sogar effektiver als Journalismus.
Aber jetzt mal ehrlich, sehen Sie wirklich Veränderungen im Irak aufgrund Ihrer Show?
Ich weiß, dass die meisten irakischen Politiker sich wöchentlich meine Show anschauen, schon allein um zu sehen, ob sie darin erwähnt werden. Ein Parlamentarier erzählte mir sogar, dass es eine WhatsApp-Gruppe gibt, in der sich die Politiker gegenseitig auf die Schippe nehmen, wenn sie in meiner Show auftauchen. Am nächsten Tag muss derjenige die Häme der Anderen über sich ergehen lassen.
Aber verändert das die Politik?
In einem Fall führte eine Folge der „Albasheer Show“ dazu, dass Anschuldigungen gegen einen korrupten Politiker erhoben wurden. Wir hatten Fakten recherchiert, die später gegen ihn verwendet werden konnten. Und nachdem wir uns über die Glorifizierung der schiitischen Milizen lustig gemacht haben, darf man sich nun auch in der breiten Bevölkerung kritisch über die sogenannten „Beschützer“ äußern. Diese Veränderungen mögen banal klingen, aber für ein Land wie den Irak ist das ein großer Fortschritt.
Sie haben 2006 Ihren damals 15-jährigen Bruder durch schiitische Milizen verloren. Ein Jahr danach wurde Ihr Vater von al-Qaida getötet, Sie selbst sind bei einem Selbstmordanschlag nur knapp mit dem Leben davongekommen. Glauben Sie, dass es Hoffnung gibt und die Iraker eines Tage ihre konfessionell bedingten Differenzen beiseite legen?
Ich bin einer von vielen und deshalb glaube ich, dass das Volk es satthat, täglich geliebte Menschen zu Grabe zu tragen. Wir wollen auch nur friedlich miteinander leben. Das bekommen wir täglich über Mails und Nachrichten aus dem Irak bestätigt. Es gibt viele Initiativen in den sozialen Medien, die Aufklärung betreiben und Irakern zeigen wollen, dass alle Konfessionen unter den gleichen Problemen leiden.
In allen Konfessionen gibt es religiöse Führer, die ihre eigenen Interessen vertreten, uns gegeneinander aufhetzten. Sie benutzen die Religion als Maske. Aber die Menschen sind eigentlich keine Feinde. Genau das versuchen wir, in der Show zu zeigen. In unserem Team haben wir Vertreter aller Minderheiten und Konfessionen. Wir arbeiten gemeinsam und schaffen ein Produkt, auf das wir stolz sind. Diese Kooperation will auch die Jugend im Irak. Und die stellt immerhin die Hälfte der Bevölkerung.
Im Irak haben Sie auch schon die Satireshow „Shakou Makou” moderiert, warum machen Sie „Albasheer” von Jordanien aus?
Der Mann: Ahmed Albasheer, Jahrgang 1984, stammt aus Sunniten-Hochburg Ramadi in der irakischen Provinz al-Anbar. 2006 verlor er seinen damals 15-jährigen Bruder bei einem Angriff von schiitischen Milizen. Ein Jahr später wurde sein Vater von Al-Qaida-Kämpfern entführt und starb an den Folgen der Folter. Albasheer brach das Studium der Journalistik ab, arbeitete für irakische und panarabische Medien und später als Moderator einer Comedyshow. Im Februar 2011 entkam er bei einem Selbstmordanschlag von Islamisten nur knapp dem Tod. Nach dem er 40 Tage in Geiselhaft saß, verließ er 2012 seine Heimat und ging nach Jordanien ins Exil.
Die Show: Die „Albasheer Show“ ist eine irakische Satireshow auf YouTube. Das 30-köpfige Team repräsentiert alle ethnischen und konfessionellen Gruppen im Irak. Die Sendung wird aus eigenen Mitteln finanziert und deshalb in einer privat Wohnung produziert. Die Show thematisiert Korruption, Extremismus und Terrorismus.
Es ist mein Traum, die Sendung von der Al-Raschid-Straße zu moderieren. Doch ich wurde bedroht. Vom Irak aus hätte ich nicht mit der Freiheit arbeiten können, wie ich das von Jordanien aus mache.
Und warum haben Sie Jordanien gewählt und keinen Golfstaat?
Zum einen bin ich geografisch nah am Irak. Durch die riesige irakische Community – wir sprechen hier von knapp 700.000 Irakern – bekomme ich aus erster Hand alle Ereignisse mit. Ich will meinen Landsleuten nahe sein. Viele Iraker, die in Jordanien sind, kämpfen ums Überleben, und über die Probleme genau dieser Menschen will ich sprechen. Zweitens ist uns die jordanische Gesellschaft in vielen Dingen ähnlich. Auch sie ist eine Stammeskultur. Unsere Dialekte ähneln sich. Und das wichtigste ist: In Jordanien lässt man uns die Freiheit, ohne Zensur zu arbeiten – solange wir keine intern politischen Themen ansprechen. Was auch verständlich ist, denn immerhin sind wir Gäste in dem Land.
Warum glauben Sie, ist der IS so erfolgreich in Syrien und im Irak?
Ich komme aus al-Anbar, der Sunniten-Hochburg im Irak. Nach der Unterdrückung, die diese Region durch al-Malikis Regierung erfahren hat, haben sich viele junge Männer einer Gegenbewegung angeschlossen. Keiner hat ihnen Gehör geschenkt, also haben sie nach dem ersten Strohhalm gegriffen, der ihnen gereicht wurde, und das war nun mal der IS. In der Sendung versuchen wir, diesen jungen Menschen zu zeigen, dass das keine Lösung ist.
Erreichen Sie mit Ihrer Show denn vom IS eroberte Gebiete?
Über die Statistiken auf YouTube sehen wir, dass die meisten unserer Zuschauer aus Bagdad kommen. Direkt danach folgt die vom IS eroberte Stadt Mossul. Ein Freund der Familie betreibt im Norden des Iraks ein Internetcafé. Er hat mir berichtet, dass IS-Männer letztens in sein Café gekommen sind. Er dachte zuerst, sie hätten erfahren, dass er mit mir Kontakt steht, und dachte, dass sie ihn nun verhaften wollen. Stattdessen wollten sie von ihm wissen, ob er neben Sexvideos und Songs auch Folgen meiner Sendung auf den Festplatten hat.
Ein Zuschauer aus Mossul berichtete mir, dass er die Sendung nicht kannte, bis er nach dem Freitagsgebet eine Unterhaltung zwischen zwei IS-Männern hörte. Der eine sagte zum anderen, er solle sich beeilen um meine Sendung nicht zu verpassen. Sie wollten sehen, was der Frevler Ahmed Albasheer über die „Brüder“ sagt. IS-Männer schauen also ebenfalls meine Show, um zu sehen, was wir über sie sagen, und die Bevölkerung schaltet ein, um ein Stück ihrer verlorenen Heimat wieder zu sehen. Gleichzeitig glaube ich, dass es aber auch eine Art Rebellion für sie ist, die Show zu sehen.
Wie kann man Ihrer Meinung nach den IS aus der Region vertreiben?
Die Regierung müsste der Jugend zeigen, dass sie wieder ernst genommen werden und in Sicherheit sind, wenn sie sich wieder vom IS abwenden.
Aber genau diese Regierung hat sie doch erst in die Arme des IS getrieben?
Derzeit erscheint die Wahl zwischen dem IS und der Regierung für viele wie die Wahl zwischen Pest und Cholera, vor allem nach den Bildern der Menschenrechtsverletzungen der schiitischen Milizen in den „befreiten“ sunnitischen Städten, wo Menschen hingerichtet und Dörfer geplündert wurden. Genau das muss die Regierung ändern. Sie muss ihnen wieder das Gefühl von Sicherheit geben.
Aber wie?
Das ist ja die Aufgabe der Politik.
Durch ausländische Truppen vielleicht?
Aktuell ja. Zukünftig nein.
Könnten Sie das erläutern?
Es ist ein Widerspruch. Die Regionen, die gegen die amerikanische Besatzung gekämpft haben, fordern nun deren Rückkehr. Die Menschen in dieser Region sind nämlich der Meinung, dass ausländische Truppen zwar gemäß ihrer eigenen Interessen handeln, aber dass sie wenigsten keine Diskriminierung auf Grund der Konfessionen betreiben würde.
Optimal wäre es, wenn ausländische Truppen einschreiten und dann, wenn der IS ausgelöscht ist, das Land wieder verlassen, auch wenn das utopisch ist. Noch besser wäre jedoch eine politische Lösung. Es würde genügen, wenn ein Politiker ohne religiösen Hintergrund auf die Bildfläche erscheinen würde, um genau diesen Stämmen ein Gefühl der Sicherheit zu geben.
Also, Ahmed Albasheer for President?
Nein, ich bleibe doch lieber bei der Comedy.
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