piwik no script img

Irak erteilt der UNO Flugverbot

■ Mitarbeiter der Vereinten Nationen müssen das Land mit dem Auto verlassen. Ex-Waffeninspekteur Scott Ritter erhebt schwere Vorwürfe gegen Unscom-Chef Richard Butler

Bagdad/Berlin (AFP/taz) – Zum ersten Mal seit Beginn der UN-Mission im Irak 1991 hat die Staatsführung in Bagdad alle Flüge der UNO annulliert. Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte den Schritt gestern als reine Vorsichtsmaßnahme: „Wir wollen nicht, daß UN-Flugzeuge zwischen die US-Luftwaffe und irakisches Luftabwehrfeuer geraten.“

Die Annullierung wurde bekannt, als die irakischen Behörden dem Irak-Sonderbeauftragten von UN-Generalsekretär Kofi Annan, Prakash Shah, und dem Leiter des humanitären UN-Hilfsprogramms, dem Deutschen Hans von Sponeck, den Abflug untersagten. Beide fuhren daraufhin mit dem Auto in das benachbarte Jordanien.

Zugleich nahm das wegen der Luftangriffe evakuierte Personal des humanitären UN-Hilfsprogramms seine Arbeit wieder auf. Ein UN-Sprecher in Bagdad teilte mit, ein Team wolle die Schäden untersuchen, die dem Hilfsprogramm durch die Offensive der USA und Großbritanniens entstanden seien.

Laut UN-Angaben befürwortet Iraks Staatsführung die Wiederaufnahme des Programms. Die Helfer überwachen auch das UN- Programm „Öl für Lebensmittel“, über das der Irak durch den Verkauf begrenzter Mengen von Erdöl Lebensmittel und Medikamente einführen kann. Etwa hundert UN-Mitarbeiter waren am Dienstag abend nach Bagdad zurückgekehrt.

Unterdessen erklärte der ehemalige Mitarbeiter der UN-Sonderkomission zur Abrüstung Iraks (Unscom) Scott Ritter der britischen BBC, Unscom-Chef Richard Butler habe den USA und Großbritannien erlaubt, die Fakten zu manipulieren. Die Luftangriffe seien mit „monate-, teilweise jahrealten“ Informationen über das irakische Waffenarsenal begründet worden, sagte der US- Amerikaner. Zudem seien die jüngsten Inspektionsorte bewußt ausgewählt worden, um die irakische Führung zu provozieren. Ritter war im August von seinem Posten zurückgetreten und hatte der Unscom und der US-Regierung Nachgiebigkeit gegenüber der irakischen Führung vorgeworfen.

Unterdessen verließ der russische Botschafter in Washington, Juri Woronzow, Moskau in Richtung USA. Er war vor einer Woche mit dem russischen Botschafter in London, Juri Fokin, wegen der Angriffe auf den Irak zu Konsultationen abgezogen worden.

Nach Angaben der in London produzierten arabischen Zeitung asch-Schark al-Ausat (Der Mittlere Osten) von gestern wurden bei den Angriffen auf den Irak über 1.200 Menschen getötet oder verletzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen