Irak-Krieg im US-Vorwahlkampf: Tanz auf der Rasierklinge
Clinton konkretisiert ihre Truppenabzugspläne, McCain feiert Erfolge im Irak - und Obama muss erstmal die Krise um seinen spirituellen Mentor lösen.
Zum fünfjährigen Jubiläum des Einmarsches steht das Thema Irak-Krieg plötzlich wieder ganz oben auf der Agenda. Statt über komplizierte Finanzmarkt- und Immobilienkrisen zu sprechen, diskutiert man in Washington mal wieder über den Krieg - auch für die drei verbliebenen Anwärter auf das Weiße Haus ein willkommener Anlass, einmal mehr ihre Feldherrenfähigkeit zu demonstrieren und zu zeigen, mit welcher Leichtigkeit sie die weltpolitische Klaviatur beherrschen.
Besonders gerne macht das Hillary Clinton. Sie kam am Montag mal wieder in die Hauptstadt, um an der George Washington Universität ihre Truppenabzugspläne zu konkretisieren. Im Falle ihres Sieges wolle sie innerhalb von 60 Tagen mit dem Rückzug beginnen, erklärte sie. Bleiben sollten lediglich "kleine Elitetruppen im Kampf gegen al-Qaida", die politischen Fäden und die Flüchtlingskrise wolle sie dann den Vereinten Nationen als "neutralem, ehrlichen Vermittler" übergeben.
Um ihr Bild als die einzig kompetente Oberbefehlshaberin zu untermauern, fuhr sie noch ein paar saftige Attacken gegen ihre Konkurrenten. Allein ihren Kollegen Barack Obama traf es elfmal, wie der Sender MSNBC am Abend ausrechnete. "Senator Obama betont oft, wie wichtig Worte sind. Da kann ich ihm nur zustimmen", begann sie konziliant. "Aber Reden alleine beenden den Krieg genauso wenig wie Wahlkampfversprechen, die man nicht halten kann." Und ihr republikanischer Gegenkandidat McCain? Der wolle von Bush doch nur die "Fackel übernehmen, um wenn nötig noch einhundert Jahre im Irak zu bleiben." Dazu, dass Clinton selbst 2003 für den Krieg stimmte, schwieg sie vorsichtshalber.
McCain hatte zum Zeitpunkt ihrer Rede seinen Überraschungscoup längst hinter sich. Er war am Sonntag in Bagdad gelandet und hatte sich anschließend mit Premierminister Nuri al-Maliki sowie weiteren Regierungsmitgliedern getroffen. Ein erneuter Beweis dafür, dass McCain, ohne innerparteilichen Widersacher, thematisch voll und ganz auf die nationale Sicherheit setzt. Seine derzeitige Schaufenstertour durch den Nahen Osten und Europa soll den Wählenden zu Hause schon einmal zeigen, mit welch gestandenem und weltweit geachtetem Außenpolitiker es die Demokraten im November aufnehmen müssen.
Und dann war er ja auch noch einer der prominentesten Fürsprecher der Truppenaufstockung. Seit sich die Sicherheitslage im Irak entspannt hat, wird McCain nicht müde, die Fortschritte diesem Schachzug zuzuschreiben. Ein überhasteter Truppenabzug ist nach Ansicht McCains das letzte, woran die USA jetzt denken sollten. Entsprechend sagte er in Bagdad, dass Clinton "die Fortschritte im Land offensichtlich weder versteht noch begrüßt". Und an alle gerichtet, die nicht verstehen, was ein Abzug tatsächlich bedeuten würde: "Das heißt, dass al-Qaida gewinnt.
Bleibt Barack Obama. Er führt zwar noch immer sowohl im demokratischen Rennen sowie in den meisten landesweiten Umfragen, seine Lage ist momentan allerdings alles andere als komfortabel. Denn er muss sich ständig verteidigen. Clintons Attacken auf seine Irakstrategie sind da noch das geringste Problem. Auf einer Wahlkampfveranstaltung konterte er sie so: "Ich habe den Krieg 2002 abgelehnt, 2003, 2004, 2005, 2006 und 2007. Ich war immer konsequent."
Größere Kopfschmerzen dürfte ihm derzeit sein spiritueller Mentor Jeremiah Wright bereiten. Seit Freitag spielen Blogosphäre und etliche Kabelsender eine Reihe von aufgenommenen Predigten in Endlosschleife, in denen Wright Amerika verdammt, der Regierung vorwirft, die Anschläge vom 11. September provoziert zu haben und sich in Tiraden gegen die "weiße Vormacht" ergeht.
Obama will bei derartigen Ausbrüchen nie anwesend gewesen sein. Schwer zu glauben, immerhin ist er seit knapp 20 Jahren Mitglied in der Chicagoer Trinity United Church. Zudem traute Wright ihn mit seiner Frau Michelle und taufte seine Kinder. Aber schon die Wucht der Bilder reicht aus, um Obamas Image des Einigers, der die historischen Konflikte innerhalb der amerikanischen Gesellschaft zu überwinden im Stande ist, nachhaltig zu schaden.
Wie ernst diese Angelegenheit ist, zeigte sich am Montag, als Obama für den nächsten Tag eine Grundsatzrede über Rassenidentität, Religion und seinen Pastor ankündigte. Ein Tanz auf der Rasierklinge: Distanziert er sich zu sehr von seinem Pastor, droht er weite Teile der schwarzen Bevölkerung zu verprellen, seiner wichtigsten Wählerschaft. Wirbt er für zu viel Verständnis für Wrights afrozentristische Wutausbrüche, könnten sich all diejenigen von ihm abwenden, die ihm bislang am ehesten zutrauten, die sozialen Gräben zuzuschütten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!