Investitionsbedarf in der Hauptstadt: Berlin braucht 108 Milliarden
Studie von Verbänden und IBB: Die hiesige Infrastruktur in Schuss zu bringen, kostet mehr, als alle Länder zusammen aus dem Sondervermögen bekommen.

„Berlins Infrastruktur läuft schon lange auf Verschleiß“, sagte am Donnerstagmorgen vor Journalisten UVB-Chef Alexander Schirp. Er setzte es einer Mammutaufgabe gleich, sie auf einen modernen Stand zu bringen. Das Land Berlin allein kann das nach seiner Rechnung nicht schaffen: Selbst bei jährlichen Investitionen aus dem Haushalt von über 4 Milliarden (was im Vergleich zu früheren Jahren viel ist), schätzungsweise 400 Millionen aus dem Sondervermögen und – gerade noch für noch beherrschbar gehaltenen – neuen Schulden von 750 Millionen, jeweils jährlich, kommen binnen zehn Jahren bloß 50 bis 55 Milliarden Euro zusammen. „Das ist nur die Hälfte dessen, was nötig ist“, sagte Schirp.
Das ist an einem Ort zu hören, der schon in öffentlich-privater Partnerschaft entstanden ist, dem „House of Finance and Tech“ an der Skalitzer Straße in Kreuzberg, einer Anlaufstelle für Finanztechnologieunternehmen. Der UVB-Chef sieht unmittelbaren Bedarf: „Es gibt eigentlich keinen Bereich der öffentlichen Infrastruktur, wo wir keinen Investitionsbedarf sehen“, sagt er. Privates Kapital ist für ihn schier alternativlos: „Wir sind nicht in der Situation, in der wir es uns aus ideologischen Gründen leisten könnten, uns nicht damit zu befassen“, meint er. Berlin sei bisher „sparsam“ mit dem Modell der öffentlich-privaten-Partnerschaft umgegangen, die englisch unter public-private-partnership läuft und sich PPP abkürzt.
An dieser Zurückhaltung wird sich auch nichts ändern – wenn es nach SPD-Fraktionschef Raed Saleh geht. Der lieferte 2011 vor Amtsantritt quasi sein politisches Gesellenstück damit ab, die Privatisierung einer landeseigenen Immobilien-Holding zu verhindern. „Wir brauchen kein PPP“, sagte Saleh am Donnerstag der taz, „ich bin froh, wenn wir das Geld, das wir jetzt aus dem Sondervermögen des Bundes bekommen, erst mal verbauen können.“
Saleh: Brauchen kein PPP
Die am Vormittag erhobene Forderung der Unternehmensverbände nach mehr PPP ist für Saleh nicht aus Liebe zu Berlin geboren: „Sie haben natürlich insbesondere das Wohl der Privaten im Blick“, sagt er. Derlei Partnerschaften aber seien „weder wirtschaftlich vernünftig noch politisch klug“. Dass an der Charité eine neue Kinderklinik auf diese Weise entstehen soll – bei einer SPD-Fraktionsklausur Anfang 2023 von der damaligen Regierungschefin und heutigen Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey hoch gelobt –, bezeichnete Saleh der taz gegenüber als „Ausnahme“.
Der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU und SPD erwähnt den Begriff „öffentlich-private Partnerschaft“ nur einmal, auf Seite 36: Teile der Schulbauoffensive könnten auch solche Maßnahmen sein, heißt es dort. Vorherrschend bei dieser Offensive ist das Modell der öffentlich-öffentlichen Partnerschaft: Investitionsbank, das landeseigene Wohnungsunternehmen Howoge und Bezirke wirken dabei zusammen.
In den Überlegungen, wie sich trotz Milliardeneinsparungen im Landeshaushalt weiter investieren lässt, ist währenddessen von „alternativen Finanzierungsformen“ die Rede. Die interpretiert man bei der CDU auch schon mal als Öffnung für privates Kapital. Salehs Haltung: „Partnerschaften mit Privaten werden abgelehnt, solange es zulasten des Landes geht.“
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