Interview zur Berliner SPD: „Müller sollte seinen Weg gehen“
Kann Berlins SPD vom Erfolg der Hamburger SPD etwas lernen? Nein, sagt der Politologe Gero Neugebauer - ganz im Gegenteil.
taz: Herr Neugebauer, sind sich Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) nicht ziemlich ähnlich?
Gero Neugebauer: Beide sind Regierungschefs in Stadtstaaten, in denen die SPD Dauerregierungspartei war. Beide versuchen einen Politikertyp zu repräsentieren, der eher kühl und rationell handelt – fast hätte ich bodenständig gesagt. Insofern sind sie sich in der Tat ähnlich.
Scholz wird nun zugestanden, er würde Stabilität vermitteln. So gesehen müsste Müller mit dieser Attitüde bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 ordentlich punkten können.
Nein. Scholz hat vier Jahre Regierungserfahrung. Das sind Meriten, auf die er verweisen kann. Die hat Müller nicht. Müller hat seine Arbeit als Stadtentwicklungssenator redlich erledigt, aber auch Niederlagen einstecken müssen, etwa bei der Abstimmung über die Zukunft des Tempelhofer Feldes. Er findet sich erst jetzt in seine neue Rolle. Deswegen ist es noch zu früh, um Vergleiche zu ziehen.
Scholz sollte kein Vorbild sein für Müller?
Bitte nicht. Scholz verkörpert wirtschaftspolitische Kompetenz, zumindest erhebt er diesen Anspruch. Das SPD-Konzept für Hamburg ist ein anderes als das SPD-Konzept für Berlin: In Berlin geht es um die soziale Stadt.
Also zwei ganz unterschiedliche Ansätze?
Ich bin mir nicht sicher, ob man die Herausforderungen für die SPD in Hamburg und Berlin vergleichen kann. Natürlich existieren ähnliche Probleme: die Unterbringung von Flüchtlingen, die Gentrifizierung, in Verkehrsfragen. Aber gerade im letzteren Politikbereich sind wir in Berlin viel weiter: Wer diskutiert hier noch über Busbeschleunigungsspuren?
Während die Hamburger SPD nach ihrem Wahlsieg mit 45,7 Prozent auf eine Koalition mit den Grünen zusteuert, muss die SPD in Berlin bangen, bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2016 stärkste Partei zu werden: Nach der jüngsten Forsa-Umfrage liegt sie bei 27 Prozent, ein Prozentpunkt mehr als die CDU. Die Grünen erzielten 18, die Linken 14, die AfD 5, die Piraten 3 Prozent. Dann wäre sowohl eine Fortsetzung von Rot-Schwarz möglich wie auch Rot-Rot-Grün. (taz)
geboren 1941, hat als Politikwissenschaftler am Otto-Suhr-Institut der FU gelehrt. Einer seiner Schwerpunkte: die SPD.
Könnte Müller mit mehr Wirtschaftsliberalität in Berlin punkten?
Er kann da keine neuen Äcker bestellen: Die Voraussetzungen dafür hat schon sein Vorgänger Klaus Wowereit geschaffen. Müller kann das nur kontinuierlich fortsetzen, und das tut er ja auch. Allerdings fehlt ihm noch eine Vision der neuen Stadt.
Eine wichtige Rolle spielt in Hamburg die Schwäche der CDU. Wie kriegt man die Konservativen so klein?
Vom Habitus her ist Olaf Scholz ein Politiker, der auch für CDU-Klientel interessant ist. Die CDU hat in beiden Städten die gleichen Probleme: Sie verkörpert nicht die in den modernen Großstädten existierenden Lebensstile. In Hamburg hat sich die CDU allerdings selbst zerlegt, in Berlin hat sie die Selbstdemontage rechtzeitig stoppen können, auch durch einen Generationenwechsel.
Was kann Müller von Scholz lernen?
Er sollte gar nichts lernen. Er sollte einfach seinen Weg gehen. Müller ist besser beraten, wenn er sich die Probleme der Stadt aus dem Berliner Blickwinkel anschaut. Hamburg hat mehr Geld, mehr Möglichkeiten. Kopieren sollen Müller Hamburg deshalb nicht. Denn die Kopie ist nie so gut wie das Original.
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