Interview zu Stipendien aus der Wirtschaft: "Wir haben noch sehr viel zu tun"
FDP-Minister Andreas Pinkwart will auf jeden Euro, den Firmen für Stipendien zahlen, einen Euro aus Steuergeld drauflegen.
taz: Herr Pinkwart, vor drei Jahren hat die Wirtschaft Milliarden für die Förderung von Studierenden angekündigt. Wo sind die Stipendien geblieben?
ANDREAS PINKWART, 47, ist Wissenschaftsminister in Nordrhein-Westfalen und seit Mai 2003 stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender.
Andreas Pinkwart: Es gibt nur einzelne Initiativen - leider. Bei uns in Ostwestfalen-Lippe etwa haben die Hochschulen zusammen mit der regionalen Wirtschaft einen Studienfonds gegründet.
Zwei Prozent der Studierenden erhalten bisher ein Stipendium. 40.000 von 2 Millionen. Das ist doch ein Witz, oder?
Ja, das reicht bei weitem nicht aus, um ein im internationalen Vergleich nur annähernd leistungsfähiges Stipendiensystem zu erreichen. Wir haben noch sehr viel zu tun.
Sie haben vorgeschlagen, für zehn Prozent der Studis ein Stipendium in Höhe von 300 Euro einzuführen. Die Hälfte des Gelds soll von Firmen kommen. Wie wollen Sie die Unternehmen zum Bezahlen zwingen?
Das soll natürlich keine Zwangsabgabe sein. Die Hochschulen sollen einen stärkeren Anreiz erhalten, sich um private Fördermittel zu bemühen.
Die Unis sollen also das Geld einsammeln?
Die Hochschulen sollen die Mittel einwerben - und für jeden privaten Euro bekommen sie vom Staat einen Euro dazu. Dafür müsste der Staat jährlich 200 Millionen Euro bereitstellen. Und die Wirtschaft noch einmal den gleichen Betrag.
Die Stipendien sollen nach Begabung vergeben werden. Bräuchten wir nicht auch mehr Benachteiligtenstipendien?
Was die soziale Bedürftigkeit anbetrifft, haben wir mit dem Bafög eine Studienfinanzierung, die rund 18 Prozent der Studierenden erreicht. Das Bafög wurde gerade um zehn Prozent angehoben
nachdem es jahrelang nicht erhöht wurde.
Völlig richtig. Aber darüber hinaus ist es wichtig, talentierte und begabte Studierende noch stärker zu fördern. Die geplanten 300-Euro-Stipendien kämen im übrigen auch Bafög-Empfängern zugute, weil sie einkommensunabhängig sein sollen.
Ein schöner Plan. Aber die Länder haben ihn auf Eis gelegt.
Wir lassen da nicht locker und machen im Mai erneut einen Vorstoß, um zügig ein solches Stipendiensystem zu verabreden.
Sieben Länder haben Studiengebühren eingeführt, darunter auch Ihres. Müsste man diese nicht aussetzen, bis es ein echtes Stipendiensystem gibt?
Nein, das muss man nicht. Das Verfassungsgericht hat ein sozial verträgliches Finanzierungssystem für Studienbeiträge vorgeschrieben. Das haben wir in Nordrhein-Westfalen. Zwei Drittel der Bafög-Empfänger zahlen faktisch gar keine Studienbeiträge.
INTERVIEW: WOLF SCHMIDT
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