Spitzenunis in den USA: Elite-Studium wird billiger

Die Studiengebühren in den USA sind rapide angestiegen. Weil sich viele Mittelschichtskinder das nicht mehr leisten können, wollen Stanford, Yale und Harvard ihnen nun die Gebühren erlassen.

Gebührenerlass für Mittelklassekids durch die Harvard-Uni: Kniefall vor gesellschaftlichem und politischem Druck. Bild: dpa

NEW YORK taz Aus studentischer Perspektive ist die kalifornische Eliteuniversität Stanford so etwas wie das Paradies auf Erden. Die Seminare, in denen Edel-Professoren ihre Ideen vermitteln, sind im Durchschnitt winzig klein. Man lebt in gepflegten Bungalows, in denen private Köche für das leibliche Wohl sorgen. Und in den extravaganten Konzert- und Sporthallen gibt es das abendliche Entertainmentprogramm.

Doch der Spaß ist teuer. Rund 36.000 Dollar betragen die Gebühren für das Studium. "Tuition" nennen die US-Amerikaner diese. Für Unterkunft und Verpflegung sind noch einmal 11.000 Dollar fällig - pro Jahr. Während Kinder aus einkommensschwachen Familien in vielen Fällen durch Stipendien die Kosten umgehen können, überlegen sich insbesondere Mittelschichtsfamilien inzwischen dreimal, ob sie nicht doch lieber in ein neues Auto investieren.

Das soll sich jetzt ändern. Die Stanford University hat angekündigt, ihr Studium erschwinglicher zu machen. Künftig müssen Studierende, die aus Familien mit einem jährlichen Haushaltseinkommen von unter 100.000 Dollar stammen, lediglich die Kosten fürs Schlafen und Essen übernehmen. Bei einem Familieneinkommen von unter 60.000 Dollar entfallen sogar diese weitgehend. Dann bleibt lediglich ein für amerikanische Verhältnisse lächerlicher Eigenbeitrag von 4.500 Dollar jährlich übrig. Und Stanford ist nur eine von mehreren Eliteeinrichtungen, die ihre finanziellen Hilfen bis weit in die Mittelschicht hinein ausgeweitet haben. Die Universitäten Harvard, Yale und Brown haben in den letzten Wochen ähnliche Erleichterungen angekündigt. "Die Ironie ist, dass es für viele Studierende an Privatunis bald günstiger sein wird als an staatlichen Einrichtungen", sagt Robert Berdahl, Präsident der Association of American Universities (AAU), einer Dachorganisation, der auch die großen Eliteunis angehören.

Was auf den ersten Blick wie ein Akt von Warmherzigkeit daherkommt, ist in Wahrheit ein Kniefall vor dem gewachsenen politischen und gesellschaftlichen Druck. Die Studiengebühren sind in den letzten Jahren an den meisten US-Unis rapide in die Höhe geschossen. Nach Angaben des Finanzausschusses im Senat liegen die durchschnittlichen Unikosten mit rund 45.000 Dollar inzwischen gar über dem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen. Gleichzeitig aber wachsen die meisten "Endowments" - die aus Spenden, Aktienanlagen und Immobilien bestehenden Kapitalstöcke der Universitäten. Die Vermögen von einigen privaten Eliteschulen haben mittlerweile Niveaus erreicht, die an Staatshaushalte von Schwellenländern erinnern. Harvard etwa sitzt auf einem Geldberg von knapp 35 Milliarden Dollar, Yale kommt auf 22 Milliarden, Stanford auf 17 Milliarden.

Immer weniger US-Amerikaner begreifen, dass Studierende an Unis, die immer reicher werden, auch noch tiefer in den Geldbeutel greifen müssen. Seit Anfang dieses Jahres diskutiert der Senat deshalb eine Initiative, die Universitäten gesetzlich darauf verpflichten würde, jährlich mindestens fünf Prozent ihres Kapitalstocks zu investieren - wie US-Stiftungen das schon lange machen. Ein Teil davon müsste darauf verwendet werden, die Studiengebühren zu reduzieren. Dass allein die Diskussion darüber bei manchen schon zum Umdenken reicht, zeigen die jetzt angekündigten Finanzhilfen einiger Privatunis.

AAU-Präsident Berdahl sieht darin allerdings nicht unbedingt eine gute Nachricht für sozial schwächere Studierende. Denn schließlich würden auch weiterhin nur die Leistungsstärksten den Sprung an die privaten Topschulen schaffen. Alle anderen - das sind momentan rund 80 Prozent - kämen wie bisher an staatlichen Universitäten unter.

Und die sind durch den Schachzug ihrer privaten Konkurrenten in der Zwickmühle. Wollen sie ihre guten Studenten nicht verlieren und politisch unter Druck geraten, müssen auch sie finanzielle Erleichterungen anbieten. "Das Problem ist: kaum eine der staatlichen Unis wird sich das leisten können. Dazu reichen ihre Kapitalstöcke nicht aus", sagt Berdahl, der bis 2004 in Berkeley selbst Kanzler einer öffentlichen Universität war.

Seine ehemalige Uni ist ein gutes Beispiel: Auch wenn Berkeley mit drei Milliarden nicht gerade arm ist - im Vergleich zu den Großverdienern muss man wohl eher von einem mickrigen Kapitalstöckchen sprechen.

Viele private Universitäten stehen vor dem gleichen Problem. Denn bei weitem nicht alle haben ein derart gigantisches Vermögen angehäuft wie Stanford oder Harvard, durch das sich ausbleibende Studiengebühren so einfach wegstecken lassen. "Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung", sagt der ehemalige Präsident der George Washington University, Stephen Trachtenberg. Eine Lösung könne sein, die Seminare zu vergrößern und das Angebot einzuschränken. "Wir werden die Suppe verwässern müssen, ohne dass sie danach viel schlechter schmeckt", fürchtet er.

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