Interview mit serbischen Verteidigungsminister: "Einmarsch in Kosovo ist keine Option"

Dragan Sutanovac ist davon überzeugt, dass serbische Truppen nach einer Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo nicht militärisch eingreifen. Die KFOR sei diesmal stark genug.

Serbiens Verteidigungsminister Dragan Sutanovac ist Mitglied der prowestlichen Demokratischen Partei - und seit Mai im Amt. Bild: ap

taz: Herr Sutanovac, wie würden serbische Streitkräfte auf eine unilaterale Unabhängigkeit des Kosovo reagieren?

Dragan Sutanovac: Lassen Sie uns die Frage umformulieren: Würde das Militär auf irgendeine Weise an einem Beschluss der Staatsführung vorbeiagieren? Die Antwort lautet: nein. Das Militär steht unter ziviler Kontrolle und wird ausschließlich in Übereinstimmung mit den Institutionen und Personen, die durch die Verfassung dafür autorisiert sind, wirken.

Wir hätten verschiedene Möglichkeiten zu reagieren, angefangen von Hilfe für die Zivilbevölkerung bis zu einem Einsatz der bewaffneten Macht. Ich persönlich bin allerdings davon überzeugt, dass es zu keinem so finsteren Szenario kommen wird und dass die internationale Friedenstruppe KFOR Gewaltausbrüche im Kosovo verhindern kann.

Vor drei Jahren war die KFOR nicht imstande, massenhafte Gewaltausbrüche gegen die serbische Bevölkerung zu verhindern. Was, wenn die KFOR abermals versagt?

Diesmal kann keinerlei "Schnee im Dezember" die KFOR überraschen. Über einen möglichen Ausbruch von Gewalttätigkeiten im Kosovo wird in der Nato schon so lange geredet, dass keine Chance besteht, dass sich die KFOR mit ihren 16.000 Soldaten abermals dermaßen blamiert.

Und wenn die Serben im Kosovo doch wieder ernsthaft bedroht werden?

Ich habe von mehreren Ministern der Länder, deren Soldaten im Kosovo stationiert sind, und vom Generalsekretär der Nato, Jaap de Hoop Scheffer, die Garantie erhalten, dass sie jeden Konflikt verhindern würden. Selbstverständlich erörtert jedes seriöse Militär immer auch die Möglichkeit des schlimmsten Szenarios. Ein Konflikt von größerem Ausmaß, innerhalb dessen das Militär Serbiens zum Einsatz im Kosovo kommen würde, würde jedoch Auseinandersetzungen mit der KFOR an der administrativen Grenze zum Kosovo bewirken. Eine solche Möglichkeit sehe ich nicht, auch weil Serbien im Laufe der dreimonatigen Luftangriffe 1999 gespürt hat, wie ein Konflikt mit der Nato und der internationalen Gemeinschaft aussieht. Im südlichen Teil des zentralen Serbiens würden wir allerdings keinen Augenblick lang zögern, jede Form von Terrorismus oder eines aus dem Kosovo übertragenen bewaffneten Konfliktes zu verhindern.

Reichen die bestehenden Kräfte der KFOR aus?

Die vorhandene Anzahl von Soldaten ist auf einem so engen Raum sicher ausreichend für die Verhinderung eines ernsten organisierten Konfliktes. Einzelne Zwischenfälle kann aber schwerlich irgendjemand verhindern.

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen dem Militär Serbiens und der KFOR?

Die Zusammenarbeit mit ausländischen Militärs ist der beste Teil der Außenpolitik Serbiens. Mit dem Kommando der KFOR haben wir wirklich korrekte Beziehungen und sehr gute persönliche Kontakte, das könnte eine Brücke über dem Abgrund möglicher Probleme sein.

Würden sich diese Beziehungen verschlechtern, wenn Staaten, deren Soldaten im Kosovo stationiert sind, eine unilaterale Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen würden?

Auch in diesem Falle wäre es unsere Verpflichtung - wie bitter diese Pille für uns auch sein mag -, im Interesse der Bürger Serbiens auch weiter mit der KFOR zusammenzuarbeiten, umso mehr, falls jemand den Wunsch haben sollte, die Situation zu destabilisieren. Auch vor drei Jahren bei der Eskalation des Horrors für die serbische Bevölkerung im Kosovo hat die KFOR zwar verspätet reagiert, doch letztendlich eine Tragödie noch größeren Ausmaßes verhindert. Allerdings muss gesagt werden, dass die Unabhängigkeit des Kosovo einen Domino-Effekt des Separatismus auf der ganzen Welt verursachen würde.

Hat das serbische Militär die Alarmbereitschaft an der Grenze zum Kosovo erhöht?

Sagen wir es einmal so: Die Lage ist nicht regulär.

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