piwik no script img

Interview mit Professor für Wasserwirtschaft"Spurenstoffe im Trinkwasser"

Wasserwirtschaftsprofessor Matthias Barjenbruch warnt: Das Berliner Trinkwasser wird immer chemischer. Wasserknappheit droht dagegen nicht. Im Gegenteil: Im Keller kann es feucht werden.

Wasser im Glas - mit oder ohne Chemikalien? Bild: AP, Jens Meyer

Tag des Wassers

Der Weltwassertag geht auf eine Intiative der Vereinten Nationen zurück und findet jährlich am 22. März statt. Beim 17. Weltwassertag in diesem Jahr liegt der Fokus auf Gewässern, die eine Grenze durchqueren. In Deutschland sorgte das Wasser gerade erst in einer Studie für Aufsehen: Die Universität Frankfurt am Main entdeckte jüngst hormonähnliche Chemikalien in Wasser aus Plastikflaschen. Experten vermuten, dass die Substanzen von Weichmachern im Plastik in das Wasser auslaugen.

taz: Herr Barjenbruch, wie steht es ums Trinkwasser in Berlin?

Matthias Barjenbruch: Bisher ist die Wasserversorgung relativ sicher. Aber es gibt künftig möglicherweise ein Problem mit Arzneimittelresten und anderen chemischen Stoffen. Jeder Deutsche nimmt im Schnitt pro Jahr 19,5 Packungen Medikamente zu sich, ein Teil der Wirkstoffe landet über die Kanalisation in den Gewässern.

Aber es ist ja nichts Neues, dass solche Schadstoffe ins Wasser kommen. Warum wird das in Zukunft problematischer?

Der Grad der Verschmutzung kann steigen. Wir gewinnen viel Wasser aus Spree und Havel. Durch den Klimawandel sinkt dort langfristig die Wassermenge, wodurch sich der Verschmutzungsanteil erhöht, auch wenn nicht mehr Schadstoffe zugeführt werden.

Aber filtern die Kläranlagen sie nicht heraus?

Das können sie nicht ausreichend. Bei dem Trinkwasser, das aus Gewässern wie der Spree gewonnen wird, hat man sich das so vorzustellen: In Ufernähe wird ein Brunnen gebaut. Der Grundwasserspiegel liegt auf gleicher Höhe oder tiefer als der Gewässerspiegel. Es entsteht eine Flussrichtung vom Fluss in Richtung des Brunnens. Auf seinem Weg in den Untergrund wird das Wasser eigentlich durch chemische und physikalische Prozesse im Boden gereinigt, das nennt man Uferfiltration. Aber in dem Wasser sind so viele Spurenstoffe drin, neben den Arzneimittelresten auch zum Beispiel Pestizide von der Landwirtschaft, die überstehen das. Auch im Wasserwerk, wo das Wasser dann hingeht und Filterstufen durchläuft, können sie zum Teil nicht bereinigt werden. Deshalb können diese Spurenstoffe im Trinkwasser enthalten sein.

Ist das für den Menschen gefährlich?

Zurzeit gibt es gemäß den gültigen Vorschriften keine Einschränkungen der Trinkwassernutzung. Das kann aber künftig anders werden, wenn sich eben durch den Klimawandel der Schadstoffanteil erhöht. Es wird noch darüber gestritten, ab welcher Konzentration das kritisch wird. Unsere chemischen Verfahren werden immer genauer, wir können solche Stoffe besser nachweisen und ihre Wirkung genauer messen. Aber noch unklar ist, welche dieser Stoffe ab wann humantoxikologisch, also schädlich für die Menschen, sind. Das weiß man jetzt noch nicht. Selbst wenn einzelne Stoffe nicht problematisch sind, werden sie vielleicht in der Vielzahl, in der Kombination mit anderen Stoffen zum Problem.

Weltweit wird Trinkwasser knapper. Auch in Berlin und Brandenburg?

Nein, wir erhalten viel Wasser über das Urstromtal und rund 60 Prozent über die Uferfiltration, also indirekt über Spree und Havel. In Berlin ist der Grundwasserspiegel in den letzten Jahren eher wieder gestiegen, weil die Wassernachfrage um 30 bis 40 Prozent gesunken ist.

Warum?

Es ist hier in der Region viel Industrie weggefallen. Außerdem sparen die Leute mehr Wasser. Und dadurch steigt der Grundwasserspiegel. Zum Nachteil für die Leute, die ein Haus gebaut haben, als der Spiegel niedrig war: Deren Keller werden nass.

INTERVIEW: ANNA CORVES

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!