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Interview mit Ferhad Ahma"Sie sagen, ich rede zu laut"

Der syrische Oppositionelle und Berliner Grüne Farhad Ahma wurde in seiner Wohnung zusammengeschlagen. Er ist sicher: Es war Assads Geheimdienst.

Nach der Attacke: Der Grünen-Politiker Ferhad Ahma. Bild: dpa
Interview von Juliane Schumacher

taz: Herr Ahma, Sie sind vor 15 Jahren aus Syrien geflohen - am Montag wurden Sie in Ihrer Wohnung in Berlin zusammengeschlagen.

Farhad Ahma: Um 2 Uhr morgens klopfte es an der Tür. Ich war noch wach und habe auf Youtube Videos aus Syrien geschaut. Ich dachte, es wären vielleicht die Nachbarn, denen das zu laut war. Als jemand draußen "Polizei" sagte, bestätigte das meinen Verdacht. Aber kaum hatte ich die Klinke heruntergedrückt, stürmten zwei Männer in die Wohnung und begannen, mit Schlagstöcken auf mich einzuprügeln. Ich versuchte mich zu wehren, so gut es ging, sie versuchten immer wieder meinen Kopf zu treffen. Als eine Freundin dazukam, die gerade zu Besuch war und zu schreien begann, öffnete ein Nachbar alarmiert die Tür. Da flohen die Täter. Ich hatte Glück, dass ich nicht allein zu Hause war.

Wer, glauben Sie, waren die Angreifer?

Für mich gibt es nur eine Erklärung: Schergen des Assad-Regimes. Sie haben während der ganzen Zeit nichts gesagt, aber sie sahen eindeutig nach Syrern aus. Dass sie wussten, wo ich wohne, dass sie nicht vor dem Haus, sondern direkt vor meiner Tür standen, deutet darauf hin, dass es keine spontane Aktion war. Sie müssen mich schon zuvor beobachtet haben.

Wegen Ihrer Unterstützung für die syrische Revolution?

Botschafter muss ins Amt

Der Überfall auf den syrischstämmigen Grünen-Politiker hat diplomatische Verwicklungen ausgelöst. Das Auswärtige Amt rief am Mittwoch den syrischen Botschafter zu einem Gespräch und kündigte Konsequenzen an, falls Syrien Regime-Gegner in Deutschland bedrohe.

Das Auswärtige Amt warnte Botschafter Radwan Lutfi: "Ihm wurde erneut verdeutlicht, dass die Androhung von Gewalt oder Einschüchterungsversuche gegen syrische Oppositionelle in Deutschland in keinster Weise geduldet würden", teilte die Behörde mit. "Sollte Derartiges vorkommen, werde man nicht zögern und die notwendigen Konsequenzen ziehen." Die Behörde habe den syrischen Diplomaten auf Veranlassung von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zu dem Gespräch eingeladen, aber nicht einbestellt, hieß es.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes führen die syrischen Geheimdienste in Deutschland ein Agentennetz. "Die syrischen Dienste überwachen im In- und Ausland oppositionelle Gruppierungen und Einzelpersonen, in denen sie eine Gefahr für das Regime sehen", heißt es im Verfassungsschutzbericht 2010. Um Oppositionelle einzuschüchtern, schrecke das Regime auch nicht vor Repressalien gegen Angehörige in Syrien zurück.

Ich habe mich immer für Menschenrechte und Demokratie eingesetzt. Deshalb bin ich 1996 aus Syrien geflohen und wurde in Deutschland als Flüchtling anerkannt. Ich bin eine Person, die Gesicht zeigt, ich bin leicht zu finden. Ich bin Koordinator der Syrisch-Kurdischen Jugend im Exil und seit einem Monat Mitglied des Syrischen Nationalrats, einer Art Übergangsregierung im Exil. Ich glaube, ausschlaggebend für den Angriff war mein Versuch, in Deutschland um Unterstützung für die syrische Revolution zu werben. In einem Clip spreche ich für die Kampagne "Adopt a revolution", das ist im Netz leicht zu finden.

Sie glauben, die syrische Regierung reagiert empfindlicher, wenn Sie sich an Deutsche wenden, als wenn es nur um Vernetzung unter Syrern geht?

Auf jeden Fall. Da fürchten sie die Rufschädigung, den Verlust des Rückhalts der internationalen Gemeinschaft. In Deutschland oder Europa über die Ereignisse in Syrien zu berichten und um Solidarität zu werben, wird leicht als Landesverrat gewertet.

Wurden Sie schon mal bedroht?

Nein. Aber meine Familie in Syrien wurde immer wieder angesprochen: Ich rede zu laut, ich verkehre in falschen Kreisen. Es ist eine übliche Taktik, die Angehörigen zu bedrohen. Es gab aber immer auch direkte Angriffe des syrischen Geheimdienstes auf Oppositionelle im Ausland. In Frankreich, wo mehr und bekanntere Aktivisten leben, stehen manche unter Polizeischutz.

Gab es in Deutschland schon zuvor Anschläge auf syrische Oppositionelle?

In den 1980ern gab es auch Mordversuche, etwa in Aachen. Dasselbe Regime herrscht noch immer, mit denselben Methoden. Die letzten Jahre blieb es bei Einschüchterung. Seit der Aufstand in Syrien begann, haben sich syrische Oppositionelle in Berlin beklagt, auf Demonstrationen und am Rande von Kundgebungen gefilmt und überwacht worden zu sein. In Niedersachsen wurden manchen Zettel unter die Tür geschoben: Passt auf, wir wissen, wo ihr wohnt.

Warum dann jetzt diese erneute Eskalation?

Die Proteste weiten sich aus, es gibt mehr Aufmerksamkeit aus dem Ausland. Das Regime steht enorm unter Druck. Seine Tage sind gezählt, deshalb schreckt es vor nichts mehr zurück. Sei es aus Verzweiflung oder Rache.

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14 Kommentare

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  • HH
    Hans-Hermann Hirschelmann

    "Dirk: Ehrlich gesagt, ich finde diese Unterstellungen der Grünen rassistisch..nur weil die Täter "syrisch" aussahen. Auch die Berichterstattung ist wenig kultursensibel, da sollte die TAZ nachbessernIhren Kommentar hier eingeben"

     

    Ehrlich gesagt: ich finde solcherart Solidaritätsverweigerung wirklich widerwärtig. Klingt doch selbst nach altteutschem Wesen, dass sich einblidet, der Welt mit seinen Belehrungen in Sachen "Kultur" Genesung zuteil werden zu lassen.

  • D
    Dirk

    Ehrlich gesagt, ich finde diese Unterstellungen der Grünen rassistisch..nur weil die Täter "syrisch" aussahen. Auch die Berichterstattung ist wenig kultursensibel, da sollte die TAZ nachbessern. Ich empfehle den Begriff "Südländer" oder besser "Menschen".

  • J
    Jens

    Schwere Verletzungen? Die kleine Prellung die er dort zeigt? Hallo? Redes Schulkind das sich rauft hat schwerere Prellungen.

     

    Jeder der Kampfkunst lernt (das kann ich aus eigener Erfahrung versichern) lacht über sowas! Das soll mit einem Knüppel gemacht worden sein? Woraus war der Knüppel? Watte?

  • J
    jordan

    soll man wirklich diese schwachsinnige geschichte glauben?

    will herr ahma dadurch auf sich aufmerksam machen? hat er politische ambitionen?

    Jordan

  • R
    reprheintal

    ... klingt alles ziehmlich dubios. Aber unsere Grashüpfer schwärmen doch immer von Multi-Kulti. Warum solch ein Geschrei?

  • H
    Helmut

    Was interessieren mich die Befindlichkeiten eines Farhad Ahma, während es neue Nachrichten in Sachen "Fremdenfeindlichkeit und Rassismus" aus Göttingen gibt:

     

    http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/7452/2172936/pol-goe-849-2011-mord-an-goettinger-studentin-gemeinsame-pressemitteilung-von-staatsanwaltschaft

     

    Mord an Göttinger Studentin - Gemeinsame Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei Göttingen

     

    Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ist ein 24 Jahre alter Medizinstudent dringend verdächtig, die Israelin am Wochenende des 18.12.11 in ihrer Wohnung in einem Göttinger Studentenwohnheim getötet zu haben. Wie bekannt, wurde das Opfer erst am Nachmittag des 21.12.11 aufgefunden. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen syrischen Staatsangehörigen.

  • R
    RAnwalt

    Übrigens ist das Vortäuschen einer Straftat selbst eine solche.

  • M
    Mike

    Wenn es berechtigte Zweifel an Herrn Ahmas Geschichte gibt, sollte man die Fakten entweder der TAZ oder der Polizei vorlegen.

     

    Auf gar keinen Fall gehören solche Anschuldigungen in den öffentlichen Raum, wenn man keine Fakten besitzt, die die eigene These wenigstens unterstützen würden.

     

    Das mich keiner falsch versteht: Viellecht stimmt es ja sogar, dass hier eine vorgetäuschte Straftat vorliegt, aber einen derartigen Vorwurf stellt man nicht ungeprüft in den Raum und schon gar nicht ins Netz. Das sind Methoden aus dem Dritten Reich: Erst den Ruf eines Menschen schädigen, danach spielen die Tatsachen so oder so keine Rolle mehr. Ein Differenzieren ist da nicht mehr möglich, eher ein Pauschalisieren. Und das mir keiner mit Meinungsfreiheit kommt. Rufschädigung hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun.

  • T
    texter

    @von Dieter Carstensen

     

    "Wer macht denn Nachts um zwei Uhr die Wohnungstür auf, wenn er keinen Besuch erwartet?"

     

    Ich, weil ich ein sogenannter Nachtmensch bin (da kann mann in ruhe sehr kreativ arbeiten), wie ich viele kenne. Mein Nachbar, bzw. meine Nachbarn klingeln auch wohl mal abends um 2 halb drei weil se Zucker für ihren Kaffee brauchen oder sonst was man sich eben so leiht. Morgens um 9 würde ich allerdings skeptisch sein, selbst der Paketdienst weiss das da keiner da/wach ist, es sei denn ich bin mal länger aufgeblieben und gehe erst spät ins Bett (so wie heute)

    lg Texte

  • MM
    Mister Maso

    Warum beschränkt sich die taz in diesem "Interview" nur auf die Rolle des Stichwortgebers für die kruden Thesen eines bislang unbekannten Lokalpolitikers, der sich in Verschwörungsphantasien ergeht? Wo bleibt journalistische Recherche und gezieltes nachfragen?

     

    Ich hätte mal ein paar Fragen:

     

    1) Laut Herrn Ahma sprachen die Täter kein Wort, nachdem sie in die Wohnung eingedrungen waren (Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,806084,00.html Sprachen die Angreifer, als sie sich als Polizisten ausgaben akzentfrei deutsch oder mit syrischer Einfärbung? Kamen ihm keine Zweifel, dass angebliche Polizisten mit orientalischem Akzent vor der Tür stehen? Woher weiß Herr Ahmam eigentlich, dass es Syrer waren? Liegen ihm Beweise oder wenigstens Hinweise vor? Oder vermutet er dies nur ob des "südländischen Aussehens" der Angreifer? Fördert die Aussage, dass die Schläger "definitiv ausgesehen, als würden sie aus dem Nahen Osten kommen" (Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,806084,00.html) nicht rassistische Vorturteile?

     

    2) Laut Aussage von Herrn Ahma haben die Angreifer "seinen Tod billigend in Kauf genommen" (Quelle: Bildunterschrift http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,806084,00.html), als sie 5 bis 8 Minuten mit Knüppeln auf ihn einschlugen. Wie passt dies mit der Meldung zusammen, dass Herr Ahma bloß leichte Verletzungen erlitt und eine ärztliche Behandlung sogar ablehnte?! (Quelle: https://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/364311/index.html

     

    3) Laut Aussage von Herrn Ahma befand sich eine weitere Person zur Tatzeit mit ihm in der Wohnung. Ist diese Person auch eine Gegnerin des syrischen Regimes? Wenn ja: warum wurde die auch in der Wohnung befindliche 20 jährige Frau (Quelle: https://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/364311/index.html) nicht ebenfalls angegriffen? Wieso wurde die Anwesenheit dieser Person im SPON-Artikel (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,806084,00.html)eigentlich gar nicht erwähnt?

     

    4) Wie will Herr Ahma Vermutungen entkräften, die einen eventuellen Zusammenhang zwischen dem nächtlichen Besuch einer jungen Frau in seiner Wohnung und dem Besuch von zwei südländisch aussehenden Männern NICHT dem Wirken eines Geheimdienstes sondern einem familiären Hintergrund zuschreiben?

     

    Fragen über Fragen!

  • LE
    Les Er

    Der Herr ist ja wahrlich fürchterlich zugerichtet!

  • L
    Line

    Komisch. Der Westen, auf den sie sonst immer schmipfen, soll sie jetzt beschützen?!

  • DC
    Dieter Carstensen

    Mal angenommen,die Aussagen von Herrn Ahma entsprechen der Wahrheit:

     

    Dann wäre es schlimm und es müsste alles unternommen werden, um die Täter zu ermitteln.

     

    Allerdings habe ich Ihren Bericht in der TAZ sorgfältig gelesen und erlaube mir an den Schilderungen von Herrn Ahma meine Zweifel zu äussern.

     

    Wer macht denn Nachts um zwei Uhr die Wohnungstür auf, wenn er keinen Besuch erwartet?

     

    Kein vernünftiger Mensch. Und wenn man, wie Herr Ahma behauptet, nachts um die Zeit YouTube Filme dermassen laut anschaut, dass man meint, die Nachbarn würden klopfen, um sich zu beschweren, dann möchte ich nicht Herrn Ahmas Nachbar sein.

     

    Und wenn bei einem vernünftig denkenden Menschen nachts um zwei Uhr die Polizei klopft, macht man nicht die Tür auf, sondern wählt erst die 110 und fragt bei der Polizei nach, ob wirklich Polizisten vor der Tür stehen.

     

    In einem bin ich mir sicher:

     

    Die Geschichte von Herrn Ahma erscheint mir gerade durch die seriöse Berichterstattung der von mir geschätzten TAZ in einem sehr dubiosen Nebel.

     

    Ich will nichts Böses unterstellen, aber es wäre nicht die erste Selbstinszenierung eines Politikers.

  • H
    Hatem

    Extrem dubiose Geschichte. Nach Farhad Ahmas Angaben haben die beiden Schergen zwischen 5 und 8 Minuten massiv mit Knüppeln auf ihn eingeschlagen und dabei seinen "Tod billigend in Kauf genommen".

    Auf Zeitungsfotos sieht Herr Ahma aber sehr unverletzt aus, bis auf eine kleine Stelle am Auge und Blutergüsse am Körper. Wer soll diese Räuberpistole glauben?

     

    Hängt der Angriff vielleicht eher mit der 20jährigen Dame zusammen, die nachts um 2 Uhr beim verheirateten Herrn Ahma in der Wohnung war?

    Bin gespannt, ob wir noch eine Auflösung erfahren und hoffe, dass die dann nicht zu peinlich ausfällt.