Interview mit Angel-Veteran: "Von Anfang an begeisterte mich die Spannung beim Angeln!"

Heinz Haase ist stolzes Mitglied in Deutschlands ältestem Anglerverein. Ein Gespräch über große und kleine Fische.

Nicht Angler Haase, sondern potenzielles Opfer (Karpfen) Bild: ap

taz: Herr Haase, Ihre Leidenschaft fürs Angeln ist schon an Ihrem linken Handgelenk zu erkennen. Ihre Armbanduhr ziert ein Fisch. Wo haben Sie die denn her?

Heinz Haase: Ich war einige Jahre Chefredakteur der Anglerzeitschrift Der Märkische Angler. Da ich auch Angelhistoriker bin, wurde ich gefragt, ob ich die alte Literatur im Kellner ordnen und auflisten könnte. Das habe ich gern gemacht. Als Dankeschön habe ich diese Uhr bekommen.

Aha. Sie sind Mitglied von Deutschlands ältestem Anglerverein, dem Berliner Club "Angelfreunde 1866", der Anfang März sein 145-jähriges Bestehen gefeiert hat. Wann begann Ihre Leidenschaft fürs Angeln?

wurde am 20. April 1930 in Seelow am Rande des Oderbruchs geboren. Anfang der 40er-Jahre nahm ihn sein Vater mit zum Angeln. Seitdem ist er leidenschaftlicher Angler. 1954, dem Gründungsjahr des Deutschen Anglerverbands, wurde er Vereinsmitglied und hatte verschiedene Funktionen inne. Von 2005 bis 2010 war er Vorsitzender von Deutschlands ältestem Anglerverein, dem Berliner Verein "Angelfreunde 1866 e. V.", der am 8. März 145-jähriges Bestehen beging und 49 Mitglieder zählt.

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Haase war Berufsoffizier der Nationalen Volksarmee und arbeitete auf dem Gebiet der Rückwärtigen Dienste in den Dienststellen Prenzlau, Karpin und Frankfurt (Oder). 1990 beendete er als Zivilbeschäftigter im Ministerium für Nationale Verteidigung seine Berufstätigkeit. Seitdem ist er Rentner. Er lebt in Kaulsdorf.

Schon im Kindesalter, als mein Vater mich mit zum Angeln genommen hat. Das war ab 1941, also noch in den Kriegsjahren, in Seelow am Rande des Oderbruchs. Von Anfang an begeisterte mich der Aufenthalt in der Natur. Das ist auch heute noch so. Und natürlich die Spannung beim Angeln!

Können Sie das genauer beschreiben?

Als Angler ist jeder Gang zum Wasser voller Erwartungen. Man will ja möglichst Erfolg haben. Da geht einem so manches durch den Kopf. An welche Angelstelle gehe ich? Mit welchem Köder locke ich die Fische an den Haken? Und dann, wenn man die Angel ausgeworfen hat, erwartet man, na ja, den Biss (lacht) und einen möglichst großen Fisch. Haben Sie meinen Dorsch im Internet gesehen?

Oh ja, Sie meinen den 9 Kilo schweren Dorsch, den Sie im Juni 2010 gefangen haben.

Ja. Ich hatte mir zu meinem 80. Geburtstag von meinen Kindern, die alle Angler sind, Geld für ein Fahrrad gewünscht. Da haben sie zu mir gesagt: "Nee, wir haben andere Vorstellungen!" Die Kinder hatten eine Kutterausfahrt in der Kieler Bucht gebucht. Kurz vor Schluss bog sich meine Angelrute bis zum Gehtnichtmehr. Dann kam Bewegung in die Rutenspitze, die ganze Rute bog sich mächtig, und mir wurde schnell klar, dass sich ein größerer Fisch festgebissen hatte.

War es schwer, ihn rauszuholen?

Der Fisch hat einige Meter Schnur abgezogen, die ich mir wieder zurückgeholt habe. Das ist so drei- oder viermal passiert und hat etwa 20 Minuten gedauert. Bis der Fisch ermattet war. Das war mein bisher größter Fisch, der Fisch meines Lebens.

Haben Sie ihn verspeist?

Ja, natürlich. Ich habe ihn noch an Bord filetiert und in Portionsstücke geschnitten. In unserer Unterkunft habe ich ihn mit Tochter, Schwiegersohn, Sohn, Schwiegertochter und Enkel gegessen. Er hat wunderbar geschmeckt.

Was hat es mit dem berühmten Anglerlatein auf sich?

Wenn ich mich so umschaue in meinem Verein, da könnten einer oder zwei dabei sein, die auch mal ein bisschen aufschneiden. Aber im Grunde genommen ist der Angler ehrlich.

Gibt es eine Sache, die man nicht macht als Angler?

Natürlich. Wenn etwa die Fische zu klein sind, dann setzt man sie vorsichtig wieder ins Wasser zurück. Das Gleiche gilt für Hechte, Zander oder Schleie während der Schonzeit. Die Anglerehre erfordert es, den Fisch in sein Element zurückzusetzen. Das ist auch beim Kutterangeln so, wenn das Mindestmaß beim Dorsch nicht erreicht wird.

Ist Angeln ein typisches Männerhobby?

Da hat sich was geändert. In unserem Verein haben wir acht Frauen und ein Mädchen. Wer zum Angler wird, hat meistens ein Elternteil als Vorbild. Freundschaften spielen natürlich auch eine Rolle. Viele Frauen werden Angler, wenn sie einen Mann kennenlernen, der Angler ist. Das Vereinsleben ist natürlich auch wichtig. Einmal im Jahr machen wir ein großes Sommerfest, und wenn ein Angler seine Freundin oder seine Frau mitbringt, ist das schon ein erster Kontakt zu unserer Gemeinschaft und führt oft dazu, dass die Frau dann auch mit angeln möchte.

Haben Sie Probleme, neue Mitglieder zu gewinnen?

Eigentlich nicht. Unsere Mitgliederzahl hat sich seit 2008 sogar um 17 neue Mitglieder erhöht. Für jeden Angler ist es eine Ehre, Mitglied im ältesten deutschen Anglerverein zu sein. Tradition spielt bei vielen schon eine Rolle. Besonders stolz sind wir auf unsere uralte Vereinsfahne.

Sie meinen die Fahne von 1875, auf der es heißt "Friede, Freude, Einigkeit! Heil und Gedeihn dem Angelverein!"

Ja. Zur Feier anlässlich des 145. Geburtstags unseres Vereins haben wir vor allem die Mitglieder eingeladen, die unsere Fahne noch nicht kannten.

Die Traditionspflege spielt also eine große Rolle im Anglerverein.

Ja, natürlich. Wir sind sehr stolz darauf, der älteste Angelverein Deutschlands zu sein. Wir hatten in unserem Verein auch zwei Mitglieder, die um das Jahr 1900 mit dafür gesorgt haben, dass die Anglervereine in Deutschland zu einem Bund zusammengeschlossen wurden. Interessant ist, dass sich das gerade wiederholt.

Was meinen Sie? Was wiederholt sich gerade?

Es gibt in Deutschland zwei Anglerverbände: den Verband Deutscher Sportfischer (VDSF), der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Westteil Deutschlands entstanden ist, und den Deutschen Anglerverband (DAV), der 1954 in der ehemaligen DDR gegründet wurde. Die Bemühungen, die beiden Verbände zu vereinen, haben schon vor etwa acht Jahren begonnen. Aber es gab immer wieder Schwierigkeiten. Jetzt sind beide Seiten festgefahren.

Ost- und Westdeutschland sind seit mehr als 20 Jahren wiedervereinigt. Wieso finden die Angler nicht zusammen?

Eine ganz wichtige Sache sind die Eigentumsverhältnisse. In Westdeutschland besitzt fast jeder Verein seine eigenen Gewässer, und die können nur von den Vereinsmitgliedern beangelt werden. In den Ostländern war und ist das heute noch anders. Dort sind viele Anglerverbände der Länder selbst Eigentümer von Gewässern, und die Angler, die Mitglieder eines DAV-Anglervereins sind, haben die Möglichkeit, in vielen Gewässern zu angeln. Da fangen schon die ersten Konflikte an.

Überrascht es Sie, dass die Angler sich so schwertun zueinanderzufinden?

Das macht mich traurig, überrascht bin ich aber nicht. Um 1900, als in Berlin der Deutsche Anglerbund gegründet wurde, haben auch nicht alle Hurra geschrien. Es gibt aber Kräfte, besonders im Deutschen Anglerverband, die keine Ruhe geben. Es wird sicherlich zu weiteren Verhandlungen kommen. Ich bin da ganz zuversichtlich.

Im Präsidium des Deutschen Anglerverbands sind Sie Vorsitzender der AG "Geschichte", Sie haben ein historisches Angelbuch geschrieben und betreiben eine private Homepage zur Angelgeschichte, auf der auch die Rede ist von "der Kampfbereitschaft" der Angler in den zurückliegenden über 140 Jahren, "um ihre gebührende Stellung in den verschiedensten Gesellschaftsformen einzunehmen". Spricht da der ehemalige Berufsoffizier der Nationalen Volksarmee?

Nö. Wo haben Sie denn das Wort Kampfbereitschaft her?

Das steht auf Ihrer Homepage.

Der Ausdruck überrascht mich jetzt selbst. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wenn ich den Ausdruck gebraucht habe, dann im Zusammenhang damit, dass die Angler besonders zwischen 1880 und 1900 durch die preußische Gesetzgebung in ihren Handlungsmöglichkeiten stark unterdrückt wurden. Da war eine Kampfbereitschaft schon gewünscht.

Auf Ihrer Homepage ist auch zu lesen, dass Ihnen Ihre berufliche Tätigkeit bei der Armee zugutegekommen sei, um "Schätze" der deutschen Angelliteratur in die Hand zu bekommen. Wie ist das zu verstehen?

Es war der Katastrophenwinter 1979, und ich arbeitete im Ministerium für Nationale Verteidigung in Strausberg, wo eine Winterkommission gegründet wurde. In dieser Kommission war ein Angler, und der besaß ein Fischereibuch, dessen Quellen im Literaturverzeichnis bis 1750 zurückgingen. Als ich später in Berlin wohnte, bin ich in die Stadt- und Staatsbibliothek Unter den Linden gegangen und habe dort wahre Schätze zur Fischerei- und Angelgeschichte gefunden. Und einmal im Jahr war ich berufsmäßig in Leipzig tätig und leitete einen Lehrgang auf dem Gebiet des Selbstschutzes. Da habe ich meine Themen immer auf den Vormittag gelegt und bin nach dem Mittagessen in die Deutsche Bücherei gegangen. Auch dort habe ich äußerst interessante literarische Werke gefunden.

Was haben Sie mit diesen "Schätzen" gemacht?

Daraus habe ich zunächst eine Ausstellung gemacht. Damit bin ich deutschlandweit gereist. Die Leitung der Staatsbibliothek war so begeistert, dass sie auch eine Ausstellung gestaltet haben. Dann wurde der Findling Verlag auf meine Arbeiten aufmerksam und gab das Buch "Faszination Fisch - Geschichtliches zum Fisch und seinem Fang" heraus.

Halten es die Angler wie die Pilzsammler und verraten ihre besten Stellen nicht?

Das würde ich mit einem klaren Ja beantworten.

Hatten Sie mal etwas anderes an der Angel als einen Fisch?

Ja, einen Stiefel (lacht). Das war an der Ostsee.

Gibt es Anglerwitze?

Jede Menge!

Geben Sie einen zum Besten?

Sehr gern. "Wenn du mir 5 Euro gibst, Papa, dann verrate ich dir, was der Briefträger immer zu Mama sagt, wenn du beim Angeln bist." - "Abgemacht. Hier sind 5 Euro. Also, was sagt der Briefträger zur Mama, wenn ich zum Angeln bin?" - "Guten Morgen, Frau Schulze. Hier ist Ihre Post."

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