Interview Linken-Chefin Gesine Lötzsch: "Wir haben keine Wähler verloren"
Ihre Partei wird auch in die Landtage vom Mainz und Stuttgart einziehen, ist sich Gesine Lötzsch sicher. Die Linken-Chefin über die Kommunismus-Debatte und Schnittmengen mit SPD und Grünen.
![](https://taz.de/picture/277099/14/GesineLoetzsch3.3.11.20110303-15.jpg)
taz: Frau Lötzsch, bei der Hamburg-Wahl ist die Linke mit einem blauen Auge davongekommen. Die Aussichten für Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind nicht glänzend. Stellen Sie sich schon auf mehr Freizeit ein?
Gesine Lötzsch: Wir haben in Hamburg ein sehr gutes Ergebnis eingefahren, wenn man bedenkt, dass alle gegen uns waren. Obwohl die SPD dazugewonnen hat, haben wir keine Wähler verloren. Das ist eine gute Entwicklung. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind politisch ein anderes Pflaster. Bisher waren wir bei Wahlen meist besser als bei Umfragen. Ich gehe davon aus, dass wir in die beiden Landtage kommen.
Gregor Gysi sagte am Abend der Hamburg-Wahl, er sei glücklich, seinen "Plan B" nicht greifen lassen zu müssen. Was hätte der beinhaltet - seine Rückkehr und Ihren Sturz?
Das müssen Sie Gregor Gysi fragen. Ich bin gewählte Parteivorsitzende und erfülle meine Aufgaben. Und Gregor Gysi ist Fraktionschef und kümmert sich um die Arbeit der Fraktion.
Würden Sie Ihren umstrittenen Kommunismus-Text heute nochmal so veröffentlichen?
Der Text hat viele Diskussionen ausgelöst. Ich finde es gut, dass sich viele Menschen die Mühe gemacht haben, die Gedanken aufzunehmen und sich zu fragen, wie man in der Gesellschaft etwas grundsätzlich ändern kann. Gerade in der taz gab es dazu eine interessante Debatte.
War der Text als Provokation gedacht?
Ziel meines Textes war es, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Das ist mir auch gelungen. Es wird wieder über Alternativen zum Kapitalismus gesprochen. Wer nach der jüngsten Finanzkrise nicht über Alternativen nachdenkt, der handelt politisch verantwortungslos.
Ökologie spielt bei der Linken eine viel kleinere Rolle als bei anderen Parteien. Müssen Sie sich breiter aufstellen?
Wir wollen die ökologische Frage im Unterschied zu den Grünen mit der sozialen Frage und der Eigentumsfrage verbinden. Wir stellen in Berlin und Brandenburg die Umweltministerinnen. In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es da aber noch ein bisschen nachzuarbeiten.
Warum ist das bisher nicht geschehen? Interessiert das ihre Klientel nicht?
Die ökologischen Fragen werden von den Besserverdienenden mit Leidenschaft laut diskutiert. Arme handeln in der Regel viel ökologischer als die Besserverdienenden, sie reden bloß weniger darüber.
Aber in der bundesweiten Wirkung wird die Linke eher wahrgenommen als Partei, die den Kohleabbau im Osten gutheißt.
Um die Kohle gibt es heftige Diskussionen, das ist kein Geheimnis. In Brandenburg haben wir uns schon vor Jahren gegen den weiteren Abbau von Braunkohle ausgesprochen. Klar, es gibt Kollisionen der Interessen, da geht es um Arbeitplätze auf der einen Seite und um ebenso existenzielle Fragen des Klimaschutzes auf der anderen.
Was ist die wichtigste Aufgabe einer Parteichefin?
Die Kernthemen der Partei, wie soziale Gerechtigkeit und Friedenspolitik, immer wieder in die Öffentlichkeit zu bringen, um Mitglieder und Wähler zu gewinnen.
Ist Ihnen das gelungen? Die Umfragewerte stagnieren …
… man kann auch sagen, sie sind stabil …
… obwohl Schwarz-Gelb Sozialabbau betreibt. Das müsste Ihnen doch Wähler zuspülen.
Viele Menschen haben resigniert. Sie meinen, sich in die Politik einzumischen, habe keinen Sinn. Wir müssen sie zurückholen, ihnen Hoffnung geben und sagen: Es lohnt sich. Man soll die Welt verändern wollen.
2010 gab es im Bund Annäherungen an Rot-Rot-Grün. Das ist eingeschlafen. Ist bis zur Wahl 2013 genügend Zeit, um Gemeinsamkeiten auszuloten?
Nach der Wahl muss man entsprechend des Wahlergebnisses sehen, ob es genügend Schnittmengen und den Willen, zu kooperieren gibt. Diese Aussage "Niemals mit der Linken" wird jedenfalls immer weniger gemacht.
Eine Koalition braucht Vorbereitung.
Daran wird gearbeitet. Die Schnittmengen sind da. Aber zwischen uns stehen Hartz IV und der Krieg. Da fehlt uns die kritische Aufarbeitung der SPD-Grünen-Regierungszeit.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau