Interview Flüchtlinge: „Weder links noch rechts“
Die obdachlosen Afrikaner, die in der St. Pauli Kirche schlafen, haben neue Unterstützer: die Altonaer CDU.
taz: Herr Szczesny, in Altona haben Sie diskutiert, wie Sie mit den Flüchtlingen in der St. Pauli Kirche umgehen. Warum hat sich Ihre CDU-Fraktion von der SPD distanziert?
Uwe Szczesny: Es ging darum, wie wir mit diesen Menschen in einen Dialog treten können. Die SPD will ihr Aufenthaltsrecht feststellen, um sie so schnell wie möglich nach Italien abzuschieben. Aber wir wollen die Menschen mit dem nötigen Respekt behandeln. Als die SPD in der Bezirksversammlung ihren Antrag nicht ändern wollte, haben wir mit den Grünen und den Linken für einen sechsmonatigen Abschiebestopp gestimmt – auch wenn dies im Hamburger Rathaus bereits abgelehnt wurde.
Auch die CDU war dagegen.
Die Bürgerschaft hat sich mit einem Bleiberecht für die Flüchtlinge in Hamburg beschäftigt. Das hat auch die Hamburger CDU getan und das musste sie meines Erachtens auch. In unserer Kommunalpolitik geht es aber darum, dass die Menschen in der Zeit, in der sie hier sind, so behandelt werden, wie wir es bei jedem Gast erwarten. Auch, wenn es ein ungebetener Gast ist.
Im Bezirk ging es doch ebenfalls um die Bleibe-Perspektive.
Rund 300 Wanderarbeiter, die 2011 aus Libyen fliehen mussten, leben seit April in Hamburg auf der Straße.
Die italienische Regierung hatte die Flüchtlinge, die aus verschiedenen afrikanischen Ländern stammen, zunächst aufgenommen. Anfang des Jahres schloss sie deren Unterkünfte und gab ihnen EU-Reisepapiere und jeweils 500 Euro.
Das Bundesinnenministerium und der Hamburger SPD-Senat wollen die Männer abschieben. Die St. Pauli Gemeinde hat etwa 70 von ihnen aufgenommen.
Uwe Szczesny, 67, sitzt seit 37 Jahren für die CDU in der Bezirksversammlung Altona und ist seit 2006 ihr Fraktionsvorsitzender.
Wenn wir uns um die Menschen kümmern, wollen wir nicht von vornherein sagen: Ihr werdet abgeschoben. Es könnte auch eine Duldung oder ein Bleiberecht dabei herauskommen, etwa über die Härtefallkommission. Deshalb wollen wir die Frage nach der Perspektive offen lassen, wenn wir in einen Altonaer Dialog eintreten.
Gab es schon einmal so einen Dialog?
Als die CDU zwischen 2004 und 2008 regiert hat, haben wir Gespräche darüber geführt, wie mit Illegalen in unserer Stadt umgegangen werden soll. Wir haben damals Maßstäbe gefunden, die vom Senat aufgenommen worden sind. Etwa, dass Illegale medizinisch behandelt werden können oder dass sie ihre Kinder zur Schule schicken dürfen. Rechtlich ist so etwas natürlich nicht einwandfrei. Aber es führt dazu, dass die Menschen nicht ganz rechtlos sind. Genau darum geht es auch jetzt.
Wollen Sie der Debatte, die im Rathaus um die Libyen-Flüchtlinge geführt wird, einen Anstoß geben?
67, sitzt seit 37 Jahren für die CDU in der Bezirksversammlung Altona und ist seit 2006 ihr Fraktionsvorsitzender.
Das, und wir wollen, dass sich die Öffentlichkeit etwas stärker mit diesen Menschen beschäftigt. Dass der öffentliche Druck auf die Regierenden stärker wird, sich humaner für diese Leute einzusetzen.
Haben Sie schon eine Rückmeldung aus der CDU-Bürgerschaftsfraktion bekommen?
Ja. Natürlich hat mich der eine oder andere gefragt: Hast du eigentlich einen Vogel? Aber ich habe eindeutig mehr positive Rückmeldungen bekommen als negative, auch am CDU-Stand auf dem Straßenfest Altonale.
Der innenpolitische Sprecher der CDU, Kai Voet van Vormizeele, hat der Linksfraktion vorgeworfen, dass sie mit den Flüchtlingen Wahlkampf macht.
Ich kenne ihn schon lange. Ich teile seine juristische Auffassung und er teilt mit Sicherheit meine menschliche.
Sie ziehen mit Ihrer Haltung links an der SPD vorbei.
Bei dieser Frage geht es nicht darum, eine Partei politisch zu überholen, auf welcher Seite auch immer. Es geht ausschließlich darum, sich um die Flüchtlinge zu kümmern. Für uns ist das eher konservativ: Sich für Menschen, die in Not sind, einzusetzen, ist weder links noch rechts, sondern urchristlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid