Intervention in Mali: „Noch kein Mandat nötig“
Der Völkerrechtler Andreas Zimmermann sieht keinen Bedarf für eine Zustimmung des Bundestags. Deutschland darf Frankreich militärisch nicht unterstützen.
taz: Herr Zimmermann, die Bundeswehr will sich mit zwei Transall-Flugzeugen an der Intervention in Mali beteiligen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hält dafür kein Mandat des Bundestags für erforderlich. Zu Recht?
Andreas Zimmermann: Geplant ist, dass die Bundeswehr afrikanische Truppen der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas nach Bamako, die Hauptstadt Malis, fliegt. Solange die Kampfhandlungen Hunderte Kilometer entfernt sind, besteht keine konkrete Gefahr, dass die Bundeswehr bei diesen Transporten in Kampfhandlungen verwickelt wird. Deshalb liegt kein Einsatz der Bundeswehr vor, dem der Bundestag nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz zustimmen müsste.
Deutschland hat auch die Entsendung von MedEvac-Jets angeboten. Wäre das mandatspflichtig gewesen?
Die MedEvac-Maschinen sind Airbus-Jets, die zu fliegenden Notfallkliniken umgebaut wurden. Sie brauchen eine große Landebahn, die es wohl nur in Bamako, also weitab der Kampfhandlungen gibt. Auch hier wäre deshalb kein Mandat des Bundestags erforderlich gewesen.
Die Bundeswehr plant, sich an einer EU-Ausbildungsmission für die malische Armee zu beteiligen. Ist hierfür die Zustimmung des Bundestags erforderlich?
Die bloße Beteiligung an der Ausbildung ausländischer Soldaten ist nicht mandatspflichtig. So gibt es auch für die Ausbildung somalischer Regierungssoldaten in Uganda kein Mandat des Bundestags.
Wenn aber die Ausbildung der Soldaten unter anderem im Zusammenhang mit Kampfeinsätzen stattfindet, wie dies in Afghanistan üblich ist, dann muss der Bundestag zustimmen. Möglicherweise ist derartiges auch in Mali geplant. Verteidigungsminister de Maizière hat jedenfalls angekündigt, dass die Bundesregierung an diesem Punkt ein Mandat des Bundestags beantragt.
Der 51-Jährige ist Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Potsdam und Direktor des dortigen Menschenrechtszentrums. Zuvor lehrte er in Kiel.
Hätte sich Deutschland auch mit Kampftruppen an der französischen Intervention beteiligen können?
Dies wäre fraglich, selbst wenn der Bundestag einem solchen Einsatz zugestimmt hätte. Das Bundesverfassungsgsgericht hat erklärt, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr „nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ zulässig sein sollen. Danach dürfte Deutschland also keine militärischen Alleingänge unternehmen und dürfte auch keinen Alleingang Frankreichs militärisch unterstützen – auch wenn dieser völkerrechtmäßig ist, weil er auf Bitten der malischen Regierung erfolgt.
Wäre die Unterstützung der Ecowas-Mission, wenn sie sich zu einem echten Einsatz ausweitet, mandatsfähig?
Ja, denn die Ecowas-Truppen handeln im Auftrag des UN-Sicherheitsrats.
Was gilt für die Teilnahme an der EU-Ausbildungsmission?
Diese ist verfassungsrechtlich mandatsfähig, weil auch sie auf der Resolution 2085 des UN-Sicherheitsrats beruht. Ohne ein solches UN-Mandat wäre dies aber fraglich, weil das Bundesverfassungsgericht 2009 in seinem Lissabon-Urteil völlig überraschend und ohne überzeugende Begründung ausgeführt hatte, dass die EU derzeit kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ist. Danach dürfte sich Deutschland an militärischen EU-Einsätzen nur beteiligen, wenn die EU in Zusammenarbeit mit der UN oder der Nato handelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen