Interreligiösität: Schulstreit der anderen Art
In Osnabrück will das Bistum eine gemeinsame Grundschule für jüdische, muslimische und christliche Kinder einrichten. Das stößt auf viel Zustimmung - allerdings nicht bei der örtlichen SPD.
Geht es nach dem Bistum Osnabrück, dann soll die dortige Johannis-Grundschule künftig jüdischen, muslimischen und christlichen Kindern gleichermaßen offen stehen. Damit wären für das katholische Bistum gleich zwei Fragen gelöst: die im Zuge des Geburtenrückgangs rückläufigen Schülerzahlen - und der Wunsch, Kinder unterschiedlichen Glaubens an einem Ort zu unterrichten, in dem Religion einen besonderen Stellenwert genießt.
Osnabrück würde damit bundesweit die erste Grundschule ihr Eigen nennen, an der alle abrahamitischen Religionen unterrichtet werden. Derzeit gibt es in Niedersachsen rund 30 Grundschulen, die an einem Modellversuch mit islamischen Religionsunterricht teilnehmen. Jüdischer Religionsunterricht wird jedoch bislang ausschließlich in Gemeinderäumen jenseits der Schulen erteilt.
Bislang ist der Vorstoß vor allem auf ein positives Echo gestoßen: Sowohl die organisierten Muslime als auch die jüdische Gemeinde Osnabrück wollen an dem Projekt teilnehmen. "Es ist eine große Chance zum erlebten Dialog", sagt Avni Altiner, der Vorsitzende der niedersächsischen Schura, des Landesverbandes der Muslime. "Die Mitarbeit von allen drei Religionen ist dazu erforderlich - das ist das Spannende daran."
Geplant ist, dass die Grundschule, zurzeit eine katholische Bekenntnisschule in städtischer Trägerschaft, weiter zweizügig geführt wird. Derzeit dürfen nur zwanzig Prozent der SchülerInnen bekenntnisfremd sein, künftig sollen sie zu gleichen Teilen aus allen Religionsgruppen stammen - wobei sich zeigen muss, ob aus der vergleichsweise kleinen jüdischen Gemeinde überhaupt so viele Anmeldungen kommen. Träger soll dann das Bistum sein, im beratenden Schulbeirat dagegen wären alle drei Religionen vertreten. Die ReligionslehrerInnen werden in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften ausgewählt und sollen nach Möglichkeit auch andere Fächer unterrichten. "Es wird auf eine deutsche Ausbildung hinauslaufen", sagt Winfried Verburg, Leiter der Schulabteilung beim Bistum.
Nicht an dem Projekt beteiligen wird sich die evangelische Landeskirche Hannover. "Natürlich gibt es Sympathie dafür", sagt der Geschäftsführer ihres Schulwerks, Bernd Niss. Dass man dennoch nicht teilnimmt, liege daran, dass die evangelische Kirche mit der Gründung einer zweiten integrativen Gesamtschule in Osnabrück gescheitert ist. Deren Trägerschaft übernimmt stattdessen die Stadt.
Deutliche Kritik an dem multireligiösen Projekt kommt aus den Reihen der Osnabrücker SPD. Was das Bistum als neu vorstelle, sei "längst Alltag im öffentlichen Schulsystem", sagt der örtliche SPD-Vorsitzende Jens Martin. Er bezweifelt, dass eine solche freie Schule den sozialen Querschnitt der Stadt abbilden würde. Zudem sind die Sozialdemokraten dagegen, "aus knappen öffentlichen, ja städtischen Mitteln" den Ganztagesausbau "einer Privatschule der katholischen Kirche" zu finanzieren.
Im Bistum hofft man in der Tat, dass die Stadt die Mittel für die Schule in der bisherigen Höhe auch dann aufrechterhält, wenn sie in kirchliche Trägerschaft wechselt. Denn von den Schülern soll kein Schulgeld genommen werden. Das Bistum will Geld dazu steuern, von Schura und jüdischer Gemeinde werden keine Beiträge erwartet.
Bis Mai 2010 braucht das Projekt eine Zusage der Stadt, wenn der Schulbetrieb wie geplant im August 2011 beginnen soll. Noch können sich die Befürworter optimistisch geben: Sowohl CDU als auch FDP und Grüne - und damit eine Mehrheit im Stadtrat -begrüßen das Projekt. Das ist aber noch keine Garantie fürs Gelingen: Auch für die integrative Gesamtschule in evangelischer Trägerschaft soll es an Unterstützung lange nicht gemangelt haben.
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