Internetausschuss im Bundestag: Durchbruch oder Selbsthypnose?
Netzpolitiker von Union und SPD jubeln über den neuen Internetausschuss. Die Grünen kritisieren, inhaltlich sei der Ausschuss „dünne Suppe“.
BERLIN taz | #aida, #ida oder doch besser #iuada? Bei Twitter suchten die Netzaktivisten am Dienstagabend noch den richtigen Hashtag für den neuen Internetausschuss des Bundestags. Mittwoch preschte CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek dann nach vorn und verkündete, #AIDA habe das Rennen gemacht. Trotz der Gefahr unschöner Wortspiele: AIDA also, Ausschuss für Internet und Digitale Agenda.
Damit will sich die neue Regierung beim Thema Netzpolitik weiter profilieren. Dienstagabend verkündeten mehrere Netzpolitiker von Union und SPD jubelnd – wie es sich gehört via Twitter –, dass es künftig im Bundestag einen eigenen ständigen Internetausschuss geben werde. Bislang waren einige Themen der Netzpolitik wie etwa das Urheberrecht Teil des Unterausschusses Neue Medien im Kulturausschuss.
„Die Netzpolitik wird künftig einen festen Ort im Parlament haben, das ist eine gute Entwicklung“, sagt Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, taz.de. Doch ob dieser überhaupt für einige netzpolitische Themen federführend zuständig sein wird, ließ er offen. „Ich gehe davon aus, dass der Internetausschuss bei allen netzpolitisch relevanten Themen mit beraten wird“, sagt Klingbeil dazu lediglich.
Die Grünen sehen den Ausschuss deshalb kritisch. „Die Euphorie ist Selbsthypnose der GroKo“, sagt Konstanin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, taz.de. Die Netzpolitiker von Union und SPD versuchten jetzt, das als großen Erfolg zu verkaufen, die Wahrheit sehe aber anders aus.
Keine Federführung?
„Der Ausschuss ist zwar ein Vollausschuss, was wir begrüßen, aber er wird nach unseren Infos keine federführende Zuständigkeit für irgendein Thema bekommen“, so von Notz. Genau das sei das Problem bei dem Querschnittsthema Netzpolitik.
Mit dem Internetausschuss erfüllt Schwarz-Rot formal die Forderung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ von 2012. Vor einem Jahr hatte auch von Notz, Mitglied der Enquet, noch gesagt, dass ein Internetausschuss „zumindest für den Übergang in Zeiten der digitalen Revolution sehr angebracht“ sei. Die Forderung damals bezog sich allerdings auf einen Ausschuss, der im Bereich der Netzpolitik tatsächlich verantwortlich ist.
„Am Ende werden die netzaffinen Politiker der Fraktionen in dem Ausschuss richtige und wichtige Dinge besprechen, aber wenn es dann an die Reformen geht, müssen sie sich wie bisher in die Grabenkämpfe mit den anderen Ministerien und Ausschüssen begeben“, kritisiert von Notz. Es sei deshalb nicht damit zu rechnen, dass sich irgendetwas in Richtung einer besseren Netzpolitik ändern werde. „Der Ausschuss hat zwar ein schönes Etikett, ist inhaltlich aber dünne Suppe“.
Netzakivisten sind zufrieden
Lars Klingbeil kann die Kritik nicht nachvollziehen. „Klar ist, dass ein Ausschuss allein noch keine gute Netzpolitik macht, aber jetzt gibt es diesen Ort, das ist gut.“ Bei Twitter schreibt er: „der JoernPL (Mitarbeiter von Konstantin von Notz, d.Red.) muss meckern, weil wir das ohne ihn hinbekommen haben“.
Klingbeil hat viele Netzaktivisten auf seiner Seite. Sie überhäufen den neuen Ausschuss schon jetzt mit Vorschusslorbeeren. Mache sehen ihn als verfrühtes Weihnachtsgeschenk, andere sprechen gar von einer “digitalen Revolution“.
Netzaktivist Markus Beckedahl sieht das Vorhaben ebenfalls positiv: „Mit dem Schritt verlässt Netzpolitik endgültig das Kellerloch und gewinnt die notwendige und angemessene politische Relevanz“, schreibt auf netzpolitik.org.
Auch der IT-Branchenverband Bitkom begrüßt den Ausschuss. „Wir brauchen einen breiten Dialog darüber, wie wir die Zukunft der digitalen Welt gestalten wollen“, erklärte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder am Mittwoch. Mit dem Ausschuss werde netzpolitische Kompetenz im Parlament gebündelt und auch der Opposition ein zusätzliches Forum geboten.
Gefahr durch Lobbyisten?
Für FAZ-Blogger Don Alphonso liegt genau in einem solchen Lob auch eine Gefahr. Er warnt davor, dass durch den Internetausschuss der Weg für die Einflussnahme von Lobbyisten freier wird als bisher.
Die Linkspartei begrüßt die Bildung des Internetausschusses. „Endlich bekommt das Internet auch in der Politik den Stellenwert, den es in der Gesellschaft schon lange hat“, erklärt Vorstandsmitglied Halina Wawzyniak. Sie warnt zugleich davor, dass er „lediglich eine Spielwiese wird, auf der sich Netzpolitikerinnen und Netzpolitiker austoben dürfen, aber letztlich nichts zu entscheiden haben“, und forderte, dass der Ausschuss in allen netzpolitischen Bereichen federführend sein müsse.
Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus.
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