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Internationales Literaturfestival BerlinLive und in echt

Kommentar von Susanne Messmer

Ulrich Schreiber, der umtriebige Gründer und Leiter des Festivals, wird in diesem Jahr mit noch mehr Lob überschüttet werden als in den Vorjahren.

Schwungvoll: Ulrich Schreiber bei der Eröffnung des ILB 2020 Foto: dpa

Z ur Zeit weiß noch niemand, wie hoch die Spenden, die Besucher- und Klickzahlen der verschiedenen Veranstaltungsformate waren. Doch wenn am heutigen Samstag mit einigen wenigen Lesungen im ehemaligen Krematorium in Wedding mit dem makabren Namen Silent Green das 20. Internationale Literaturfestival Berlin (ILB) zu Ende und es danach ans Zählen geht, dürfte ziemlich sicher sein, dass deutlich weniger Zuschauer das Festival besucht haben als in den Vorjahren.

Seit 2001 nahmen mehr als 2.500 AutorInnen aus mehr als 120 Ländern am ILB teil. Es ist die wichtigste literarische Großveranstaltung in Deutschland nach den beiden Buchmessen. Doch in diesem Jahr musste etwa die Hälfte der AutorInnen per Video zugeschaltet werden. Wegen der Hygienevorschriften konnten in den Veranstaltungen weit weniger als halb so viele Menschen wie sonst sitzen.

Außerdem gab es in diesem Jahr zum ersten Mal digitale Veranstaltungen, die kostenfrei zugänglich warum. Darum bat wohl auch das Festival offensiver denn je um Spenden, die man sogar per Paypal überweisen konnte, oder um Eintritt in den Verein der Freunde und Förderer, in dem man sich bereits Mäzen nennen darf, wenn man jährlich mehr als 2.500 Euro zu spenden bereit ist.

Und trotz alldem wird Ulrich Schreiber, der umtriebige Gründer und Leiter des Festivals, in diesem Jahr mit noch mehr Lob überschüttet werden als in den Vorjahren. Denn anders als viele Großveranstaltungen wie beispielsweise die Frankfurter Buchmesse in diesem Oktober hat das Festival immerhin stattgefunden, und zwar live und in echt.

Erleichterung und Freude

Besonders in den lauen, den letzten Berliner Sommernächten Anfang dieser Woche stand den Menschen vor und auf der Bühne, aber auch zwischen den Lesungen auf den Wiesen vor dem Krematorium die Erleichterung und die Freude nach sieben Monaten mehr oder minder vollständigem Rückzug ins Private regelrecht ins Gesicht geschrieben.

„Viele Besucher*innen hier in Berlin sind dankbar, endlich wieder Veranstaltungen besuchen zu können. Die Autor*innen nehmen es als beglückend wahr, wieder vor Publikum auftreten zu können“, sagt Juliane Thiel, Pressesprecherin des Festivals.

Literatur ist sowieso ein einsames Geschäft, sowohl auf Seiten derer, die sie produzieren, als auch auf Seiten derer, die sie konsumieren. Wenn man sich dann nicht einmal mehr ab und zu von Angesicht zu Angesicht austauschen darf, fühlt man sich vollends wie ein Maulwurf, der sein Leben größtenteils unter Tage fristet. Und der Austausch im Digitalen ist insofern nur ein schwacher Trost, als dass man im Netz in der Regel nur findet, was man sucht.

Zufällige Begegnungen, unerwartete Einblicke und all das Interessante, was zwischen den Zeilen steht: Das erlebt man nach wie vor am besten im Hier und Jetzt der guten alten analogen Welt.

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Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1971, schrieb 1995 ihren ersten Kulturtext für die taz und arbeitet seit 2001 immer wieder als Redakteurin für die taz. Sie machte einen Dokumentarfilm („Beijing Bubbles“) und schrieb zwei Bücher über China („Peking" und "Chinageschichten“).
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