Internationaler Tag der Roma: Eine starke Bewegung
Zum Romaday ist am Montag in allen Berliner Bezirken vor den Rathäusern die Roma-Flagge zu sehen. Ein wichtiges Zeichen, findet Andrea Wierich von Amaro Foro.
H eute wird in Berlin vor allen Bezirksrathäusern die Roma-Flagge gehisst. Das ist ein starkes Zeichen. 2020 fing es an: Meine Kolleg*innen von Amaro Foro haben frühzeitig alle Bezirke angeschrieben und ihnen vorgeschlagen, am Weltromatag auf diese Art für mehr Sichtbarkeit zu sorgen. In den ersten Jahren war das mitunter noch etwas chaotisch, mein Kollege fuhr im Vorfeld durch die halbe Stadt und brachte Flaggen zu den Rathäusern, weil nicht alle eine hatten.
arbeitet seit 2012 bei Amaro Foro: als Pressesprecherin, in der Dokumentationsstelle Antiziganismus und seit 2020 als Leitung des Medienprojekts. Früher hat sie auch mal in der taz gearbeitet.
Jetzt ist es endlich geschafft: Zum ersten Mal sind wirklich alle Bezirke dabei. Manche verbinden das mit einer kleinen Zeremonie, bei der Bezirksbürgermeister*innen ein paar Sätze sagt. Andere hissen nur die Flagge – auch in Ordnung.
Dieses Zeichen ist nötiger denn je: Den Rechtsruck in der Gesellschaft bekommen wir alle zu spüren, aber marginalisierte Gruppen spüren ihn früher und stärker. Wir warnen seit Jahren davor. Wer von uns wäre wohl von einer Deportation betroffen?
Für Menschen, die Roma sind oder dafür gehalten werden, hat sich gesellschaftlich „nur“ eine ohnehin dramatische Situation weiter verschärft. Antiziganismus ist eine der am weitesten verbreiteten und am tiefsten verankerten Formen von Rassismus. Wir hatten hier in Berlin das erste Projekt in Deutschland zur Erfassung von antiziganistischen Vorfällen, die Dokumentationsstelle Antiziganismus, und die Fallzahlen steigen jedes Jahr. Das bedeutet nicht nur Beleidigungen und Ausgrenzung, sondern hat für die Betroffenen existenzbedrohende Konsequenzen. Antiziganismus tötet.
Während im deutschen Fernsehen eine Runde von weißen Menschen sich darauf einigt, dass die rassistische Fremdbezeichnung doch gar nicht so schlimm sei, werden Rom*nja abgeschoben, wird das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit reduziert. Menschen leben in täglicher Angst vor Nazi-Angriffen und EU-Bürger*innen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind rechtlich längst zu Menschen zweiter Klasse geworden, ohne dass es irgendwen groß interessiert hätte.
Zuletzt waren es Rom*nja aus der Ukraine, gegen die in Medien dermaßen gehetzt wurde, dass in Thüringen eine Geflüchtetenunterkunft wegen eines Brandanschlags und der damit einhergehenden Bedrohungslage nicht bezogen werden konnte.
Angesichts dieser Entwicklungen ist ein Zeichen wie das heutige von großer Bedeutung. Wir stehen zusammen, wir alle sind diese Stadt und jede*r von uns ist gleich viel wert. Dabei darf es jedoch nicht bleiben. Wir erwarten von der Politik und übrigens auch von den Medien, dass sie dem Anspruch, den sie heute formulieren, in ihrer Praxis auch an allen anderen Tagen des Jahres gerecht werden. Nur als solidarische Gesellschaft werden wir dem Rechtsruck wirklich etwas entgegensetzen können.
Dabei können wir übrigens von der Roma-Bewegung etwas lernen. Spätestens seit 1971 hat die weltweit sichtbare Erfolge errungen – gegen enorme Widerstände. Sie hat einen langen Weg zurückgelegt. Der Genozid wurde anerkannt, ebenso wie Antiziganismus als eine Form von Rassismus erkannt wurde. Die Selbstbezeichnungen haben die rassistische Fremdbezeichnung verdrängt und der Weltromatag wurde als Datum etabliert. Das sind Erfolge, die kaum überschätzt werden können. Viel zu oft sind Rom*nja für die Dominanzgesellschaft vor allem als Opfer sichtbar. Aber dadurch wird zu viel unsichtbar. Niemand ist nur Opfer. Und gerade die Roma-Bewegung hat eine beispiellose Kraft und Hartnäckigkeit gezeigt. Heute ist der Tag, an dem das gefeiert und gewürdigt wird.
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