Intel zum 40. Geburtstag: Paranoia inside

Vor 40 Jahren gründeten zwei kalifornische Physiker Intel. Heute haben vier von fünf PCs einen Intel-Chip. Ein Fast-Monopol, das auch mit unsauberen Mitteln verteidigt werden soll.

Mikrochip-Hersteller bei Intel. Bild: ap

Mitarbeiter: 86.300 (2007) Finanzdaten: Umsatz 38,3 Milliarden Dollar, Nettogewinn 7 Milliarden Dollar (2007). Letzte Quartalszahlen: Gewinnsteigerung um 25 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar, Umsatzsteigerung um 9 Prozent auf 9,5 Milliarden Dollar (2/2008) Wichtige Produktions- und Teststandorte: Santa Clara/Kalifornien (Hauptsitz), Chandler/Arizona, Leixlip/Irland, Jerusalem und Qiryat Gat/Israel, Pudong und Chengdu/China, Kulim und Penang/Malaysia, Ho-Chi-Minh-Stadt/Vietnam Produkte: PC-Prozessoren, Chipsätze für Hauptplatinen, Flash-Speicher, Netzwerkkarten, spezialisierte integrierte Schaltungen, Grafikkarten; Marktanteil bei PC-Prozessoren: 80 Prozent Besitz: Börsennotiert

Als die beiden Physiker Gordon Moore und Robert Noyce im Jahr 1968 Intel gründeten, war die Südhälfte der Bucht von San Francisco noch für seine Orangenhaine bekannt. Gleichwohl hatten sich in der Gegend, die später unter dem Namen Silicon Valley weltberühmt werden sollte, bereits einige Halbleiterhersteller niedergelassen. Eine von ihnen, die Firma Fairchild Semiconductor, wurde zu einer Keimzelle der kalifornischen IT-Industrie. Moore und Noyce waren dort beschäftigt, ebenso ihr erster Angestellter Andy Grove, der später zum prominentesten Intel-Manager aufstieg.

Bereits in seinem ersten Jahr machte das Team mit Speicherchips einen Umsatz von einer halben Million Dollar - damals eine enorme Summe. 1971 entwickelte Intel den ersten kommerziellen Microchip, genannt Intel 4004. Er hatte die aus heutiger Sicht lächerliche Taktfrequenz von 740 Kilohertz - und revolutionierte dennoch die Informationstechnologie, ja die Menschheitsgeschichte. Seither hat sich Intel zu einem Giganten der Weltwirtschaft entwickelt. Trotz der derzeitigen Finanzkrise in den USA wird der 40. Geburtstag, den der Konzern an diesem Freitag feiert, nicht durch schlechte Bilanzen getrübt. Obwohl Marktbeobachter mit einem Umsatzeinbruch gerechnet hatten, konnte man, wie Intel am Dienstag mitteilte, im letzten Quartal den Gewinn um 25 Prozent steigern. Der Börsenwert beträgt derzeit über 100 Milliarden Dollar. Allein im Jahr 2007 erzielten die weltweit fast 90.000 Mitarbeiter einen Umsatz von 38,3 Milliarden Dollar. Vier von fünf PC-Besitzern haben einen Intel-Prozessor.

Von Andy Grove, der zwischen 1987 und 1998 Geschäftsführer von Intel war, stammt das für die Unternehmensgeschichte bedeutsame Firmenmotto: "Nur die Paranoiden überleben." Wer nicht auf die Konkurrenz blickt und sich dessen bewusst ist, dass er auch von kleinen Wettbewerbern technisch überholt werden kann, geht unter. Ohne diese Maxime hätte man es wohl kaum geschafft, eine derart dominierende Stellung zu erobern und zu verteidigen - selbst wenn nicht nur Konkurrenten, sondern auch Kartellwächter Intel immer wieder vorwerfen, sich auch unsauberer Mittel zu bedienen. Trotzdem haben die Wettbewerbshüter bislang kaum etwas an der Situation ändern können. So herrscht in der IT-Branche gegenüber Intel eine Hassliebe vor, wie man sie sonst nur gegenüber Microsoft kennt.

Computer für alle

Intels Einstieg in die Welt der Gebrauchsrechner für den Schreibtisch begann 1974 mit einem Chip namens 8080. Dieser sollte ursprünglich in Industrieanlagen und Verkehrslenksystemen eingebaut werden. Altair, der Hersteller des ersten kostengünstigen Heimcomputer-Baukastens, entdeckte den Prozessor dann allerdings als Herz für seinen bildschirmlosen, blinkenden Rechner. Diese - kaum Computer zu nennenden - Kistchen von Altair waren die ersten überhaupt, die für Privatkunden erschwinglich waren.

Der nächste entscheidende Schritt folgte 1981, als der IT-Gigant IBM ausgerechnet Intel als Lieferanten für den Hauptprozessor seines "IBM-PC" auswählte, der zum Vater der PC-Industrie werden sollte. In den folgenden Jahren wuchs der Markt enorm. Heimcomputersysteme mit Namen wie Commodore C64, Atari und später Amiga fanden Verbreitung; auch Apple war mit seinem Apple II und später mit dem ersten Macintosh enorm erfolgreich. Bei den Heimcomputern dominierend waren Chips von Motorola oder MOS Technology.

Intels Aufstieg zum Quasi-Monopol hingegen begann erst in den Neunzigerjahren, als Microsoft sein Betriebssystem Windows auf den Markt brachte. Insbesondere ab 1993, nach der ersten wirklich nutzbaren Windows-Version 3.0, begannen die Heimcomputer auszusterben. Stattdessen wollten auch einfache Anwender immer öfter einen "Personal Computer" - Rechner, die anfangs nur für Büroarbeiten gedacht waren, mehr und mehr aber auch für Spiele und andere Anwendungen verwendet wurden. Und die Chips für den Personal Computer, den inzwischen nicht nur IBM produzierte, sondern auch zahllose Hersteller sogenannter kompatibler Klone, lieferte vor allem Intel.

Der Prozessor wurde nun zum Markenprodukt wie sonst nur Coca-Cola: Clevere Werbefachleute erfanden 1991 die "Intel Inside"-Kampagne. Die Nutzer sollten wissen, welcher Hauptprozessor in ihren PCs steckte. Es sollte sogar wichtiger sein als der Hersteller der (immer billiger werdenden) Kiste drumherum.

Dabei wurde tief in die Marketingtrickkiste gegriffen und erstmals für eine derart technische Komponente emotional argumentiert: Intel-Chips sollten den Rechner nicht nur schneller machen, sondern auch multimedialer, bunter, wohlklingender - dabei haben mit solchen Funktionalitäten weniger die Hauptprozessoren denn die Grafik- und Soundchips zu tun, die Intel zunächst nicht selbst baute. Zugleich setzte eine Bewegung ein, die als Megahertz- und Gigahertz-Wahn in die IT-Geschichte einging. Immer schnellere Taktraten, also durchführbare Rechenzyklen, mussten die Chips erreichen. Dabei lag die potenzielle Bremse für Leistungssteigerungen längst nicht mehr bei den Prozessoren, sondern in der Software, die Mühe hatte, mit dieser Rechenpower mitzuhalten.

Dennoch wurden die Chips immer schneller und komplexer, fast so, wie es Intel-Mitgründer Gordon Moore Mitte der Sechzigerjahre vorausgesagt hatte. Die Anzahl an Transistoren auf einem handelsüblichen Prozessor werde sich etwa alle zwei Jahre verdoppeln, hatte er 1965 geschrieben und damit das "Mooresche Gesetz" formuliert. Wirklich revolutionär waren die Intels-Chip der vergangenen 20 Jahre aber nur in Maßen. Kontinuierlich wurde das Bestehende verbessert, aber selbst die heutigen Prozessoren mit 3 Gigahertz und mehr gehen auf die x86-Reihe aus den Achtzigerjahren zurück.

Konkurrenten hatte Intel bei alledem nicht zu knapp. Wenige sind übrig geblieben, obwohl die Dotcom-Krise auch dem Chipriesen übel mitspielte und für eine Halbierung des Aktienwertes sorgte. Der größte verbleibende Wettbewerber, der 1969 ebenfalls in den USA entstandene Chiphersteller AMD, der bereits vor Windows mit Intel mithalten wollte, versucht schon seit Jahren, Intel einzuholen. Das Unternehmen hatte in den vergangenen Jahren zwar gut aufgeholt und etwa den PC-Riesen Dell als wichtigen Kunden gewonnen. Doch zuletzt ging es wieder abwärts. Über drei Milliarden Dollar Verlust schrieb AMD 2007 und hat nur noch einen Marktanteil von zwanzig Prozent.

Im Jahr 2004 strengte AMD ein Kartellverfahren gegen Intel an. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass Intel unter anderem deutliche Werbekostenzuschüsse an PC-Hersteller zahlt - das "Intel inside"-Logo brachte ihnen also bares Geld. Die Kartellverfahren gegen Intel laufen, seit 2007 ermittelt auch die EU-Kommission. So wird Intel zum Vorwurf gemacht, mit zahlreichen Händlern Exklusivverträge abgeschlossen und sie dazu verpflichtet zu haben, keine Rechner mit AMD-Chips mehr zu beziehen. 2006 warf AMD dies auch mehreren großen deutschen Handelsketten vor. Im Februar ließen die EU-Kartellbehörden Büros des Unternehmens bei München durchsuchen.

Doch all das scheint Intel bislang nicht recht zu stören, am Marktanteil hat sich kaum etwas verändert. 2006 gelang ein weiterer erstaunlicher Coup: Apple, einst auf gänzlich anderen Chip-Plattformen unterwegs (mit Motorola und später IBM als Lieferant), wechselte zu Intel. Das hat den Vorteil, dass auf Apple-Rechnern inzwischen auch Windows laufen kann, bringt Apple aber auch wirtschaftlich einiges, weil Intel verspricht, neue Mac-Rechner unter anderem bei der Chipforschung zu unterstützen und Apple frühzeitigen Zugriff auf neue Technik zu geben.

Echter Wettbewerb ist weiterhin also nicht in Sicht. Er könnte aber aus Veränderungen des Marktes kommen: Der Gigahertzwahn hat sich inzwischen zu großen Teilen erledigt. Nutzer sind inzwischen bereits mit Maschinen zufrieden, die das Sur- fen im Internet, das Bearbeiten von E-Mails und andere verhältnismäßig einfache Dinge erledigen. Dafür braucht man nicht unbedingt die neuesten Intel-Chips, sondern kann auch Technik kleinerer Anbieter verwenden.

Der Trend ist durchaus zu spüren: Billigrechner, sogenannte Netbooks, verwenden Prozessoren von asiatischen Herstellern wie VIA, die anderswo kaum Bedeutung haben. Gespielt wird derweil vermehrt auf Spielekonsolen, die ebenfalls ohne Intel-Chips auskommen, weil der Konzern bei den von den Konsolenherstellern verlangten Spezialtechnologien die letzten Jahre über nicht mithalten konnte. Ob Intel sich am eigenen Erfolg also verschluckt? Noch scheint der Marktanteil zu hoch, um darüber auch nur angestrengt nachzudenken. Andererseits hält sich der Konzern nach wie vor an das Grovesche Motto von der Paranoia. Und so werkelt in manchem Billigrechner nun ein Billigchip von - na? - Intel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.