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Integration von Geflüchteten in Berlin„Wir hinken hinterher“

Berlin fehlt eine Strategie zur Integration von Geflüchteten, sagt Rüdiger Kunz vom Roten Kreuz – dafür brauche es ein „kommunales Integrationszentrum“.

BewohnerInnen der Notunterkunft Ruschestraße beim diesjährigen Zuckerfest Foto: DRK
Interview von Susanne Memarnia

taz: Herr Kunz, die Notunterkunft in der Lichtenberger Ruschestraße, im Gebäudekomplex der früheren Stasi-Zentrale, wird zum Monatsende aufgelöst. Nun hat der bisherige Betreiber, das Deutsche Rote Kreuz, eine Idee, was man stattdessen dort machen könnte. Nämlich?

Rüdiger Kunz: Die Idee heißt „kommunales Integrationszentrum“ und kommt aus Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es 54 solcher Zentren, in denen die unterschiedlichen Betreuungsbedarfe von Flüchtlingen zusammengefasst werden. Damit man all denen helfen kann, die inzwischen in eigenen Wohnungen leben und daher nicht mehr auf die Hilfe der Sozialarbeiter in den Unterkünften zurückgreifen können. In den Zentren kann man ihnen ein optimales Partizipations- und Integrationsangebot zur Verfügung stellen.

Was heißt das konkret?

Das betrifft zum einen den ganzen Bereich von Arbeit, darum würden wir da mit den Jobcentern kooperieren. Das betrifft aber auch die unterschiedlichen Partizipationsangebote, also die Teilhabe an der Gesellschaft wie Ehrenämter oder Qualifikationen. Drittens soll es einen Bereich mit psychosozialen Angeboten geben, denn der Bedarf daran ist bei den Geflüchteten zuletzt gewachsen.

Im Interview: Rüdiger Kunz

53, ist Chef der DRK Nothilfe gGmbH, die als Tochterfirma des DRK Kreisverbandes Müggelspree e. V. in Berlin vier Unterkünfte betreibt, darunter derzeit noch die Ruschestraße.

Wieso das?

Wenn jemand seit 2015 hier ist und seitdem in Notunterkünften lebt, kann das zu einer Retraumatisierung führen. Das heißt, das Unverständnis über die deutsche Bürokratie, über die eigene Perspektivlosigkeit, kann durchaus zu einer Verschlechterung der emotionalen Verfassung beitragen. Darauf muss man mit entsprechenden Angeboten reagieren.

Aber Berlin hat tausenderlei Angebote für Geflüchtete. Der Senat hat noch unter Rot-Schwarz einen „Masterplan Integration und Sicherheit“ mit vielen Einzelmaßnahmen beschlossen. Es gibt Integrationslotsen, Willkommensbüros, Beratungsangebote noch und nöcher. Reicht das nicht?

Die ehemalige Stasi-Zentrale

Der Gebäudekomplex zwischen Normannen-, Rusche-, Magdalenenstraße und Frankfurter Allee umfasst 25 Gebäude und rund 180.000 Quadratmeter Bürofläche. Ein Großteil davon steht seit langem leer. In Haus 1 gibt es das Stasi-Museum.

Rund ein Drittel des Bestands, darunter auch Haus 15 und 16 mit der Notunterkunft, gehört seit 2010 der Aris Immobiliengesellschaft, sagt deren Geschäftsführer Milutin Kostić. Seine Firma will dort eine Mischung aus Gewerbe und Wohnen realisieren. Aber auch für die Idee des Integrationszentrums sei er offen: "Wir stehen für Gespräche zur Verfügung." (sum)

Nein, das zerfasert sich eher, da es keine klare Steuerung gibt. Jeder kann ein Angebot machen, dann kommt entweder jemand oder es kommt keiner. Deswegen sind viele Angebote an den Bedarfen vorbei konzipiert. Ich würde mir das so vorstellen, dass man stattdessen wie beim Case Management im medizinischen Bereich eine ganz klare Bedarfsanalyse für den einzelnen Flüchtling macht. Dementsprechend kann dann im Anschluss der Fallmanager dem Betreffenden die passenden Beratungen anbieten. Zum Schluss werden dann die Erfolge dieser Beratungen evaluiert. Aber es bringt nichts, alles im Gieskannenprinzip zu verteilen und am Ende nicht zu wissen, ob unsere vielen Angebote auch wirklich bei den Geflüchteten ankommen.

Finden Sie, dass das bisher der Fall ist?

Ruschestraße macht dicht

Die Notunterkunft Ruschestraße 104 in Lichtenberg soll bis Ende Juli leergezogen sein. Laut einer Sprecherin von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), würden die rund 400 BewohnerInnen entweder in Gemeinschaftsunterkünfte mit eigener Kochgelegenheit umziehen oder – sofern sie aus „sicheren Herkunftsländern“ sind – in die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Herzbergstraße. In EAE gibt es wie in Notunterkünften Kantinenessen statt Küchen, was viele Flüchtlinge – zumal wenn sie bereits mehr als ein, zwei Jahre so leben müssen – als großes Problem beklagen. Die Chefin von „Moabit hilft“, Diana Henniges, kritisiert daher diese Trennung von Geflüchteten nach Herkunft als „Zwei-Klassen-System“.

Seit einer Gesetzesänderung im vorigen Jahr müssen Geflüchtete aus „sicheren Herkunftsländern“, wozu etwa die Balkanstaaten zählen, bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens in EAE bleiben. Breitenbach hatte aber mehrfach erklärt, dies nicht umzusetzen.

Die Notunterkunft in den Häusern 15 und 16 im Gebäudekomplex der ehemaligen Stasi-Zentrale war 2015 eingerichtet worden, wie viele andere ihrer Art per Beschlagnahme. Zu Hochzeiten lebten dort 1.300 Menschen. Derzeit leben noch rund 11.000 Menschen in Notunterkünften. Breitenbach hatte angekündigt, bis Jahresende möglichst alle zu schließen. Bis Ende September sollen 4.500 weitere Plätze in Gemeinschaftsunterkünften fertig sein.

Unsere Wahrnehmung beim DRK ist schon, dass es hier in Berlin deutlich weniger Flüchtlinge gibt, die in Arbeit und Ausbildung sind, als das in Bayern oder NRW der Fall ist. Wenn man sich die Zahlen von dort anschaut, hinken wir in Berlin in Sachen Integrationserfolg schon hinterher.

Wer soll so ein Integrationszentrum denn organisieren?

Der DRK würde das gerne zusammen mit anderen Sozialträgern, egal ob privat oder gemeinnützig, realisieren. Es gibt zum Beispiel in Berlin sehr gute psychosoziale Spezialisten, es gibt Experten für Kinder- und Jugendarbeit, Fachleute für Migrationsarbeit und weitere wichtige Tätigkeiten, die wir nur zusammen mit anderen Vereinen anbieten können. Die Verbände sollten alle ihre spezielle Expertise einbringen.

Wie finden die Ihre Idee?

Das Thema wurde zwischen uns und verschiedenen potentiellen Partnern besprochen, aber wir brauchen ein klares Interesse des Landes, um die Idee weiterzuentwickeln.

Und was sagt der Senat? Ist Integrationssenatorin Elke Breitenbach nicht begeistert?

Wir haben das Thema in verschiedenen Gremien angesprochen, aber offiziell noch keine Reaktion bekommen. Allerdings kenne ich auch keine anderen vergleichbaren Vorschläge, wie man die Integrationsschancen der Geflüchteten verbessern kann. Darum bin ich ein bisschen ratlos wie es weitergeht.

Wie passt eigentlich der Ort zu Ihrem Vorhaben? Würden Sie dessen Geschichte in Ihr Integrationszentrum integrieren?

Unbedingt!

Haben Sie darüber mit Roland Jahn, dem Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, gesprochen?

Der findet die Idee spannend.

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