Insolvenzverfahren bei Galeria-Karstadt: Abrisspläne trotz Absichtserklärung
Das Karstadtgebäude in der Wilmersdorfer Straße soll abgerissen werden. Damit wackelt die Vereinbarung des Senats mit dem Eigentümer Signa.
Es ist eine Nachricht, die bei den Beschäftigten des kriselnden Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof wohl für Unmut sorgen wird. Der Eigentümer des Gebäudes in der Wilmersdorfer Straße plant einen Abriss nach dem Auslaufen des Mietvertrages Anfang 2024. Am Freitag berichtete zuerst der Tagesspiegel über die Abrisspläne des Eigentümers und beruft sich dabei auf Informationen aus dem Bezirksamt. Damit wird ein langfristiger Erhalt der Filiale immer unwahrscheinlicher.
Im Gespräch war deren Schließung schon 2020. Die Eigentümerin des Gebäudes ist eine Tochtergesellschaft der Unternehmensgruppe Brenninkmeijer, zu der auch C&A gehört. Laut einem Bericht der Morgenpost hat die Eigentümerin das Bezirksamt bereits in der ersten Jahreshälfte über das Vorhaben informiert, das in den 50ern errichtete Gebäude abzureißen, um an der Stelle Geschäfts- und Wohngebäude zu errichten. Galeria-Karstadt-Kaufhof Eigentümer Signa, die in der Wilmersdorfer Straße nur Mieterin ist, war am Sonntag nicht für eine Stellungnahme zur Zukunft des Standortes zu erreichen.
Ende Oktober meldete der Warenhauskonzern abermals Insolvenz an – es ist das zweite Verfahren innerhalb von weniger als drei Jahren. Das Unternehmen soll in einem sogenannten „Schutzschirmverfahren“ saniert werden, einer leichteren Form, in der das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchgeführt wird.
Der Konzernchef Miguel Müllenbach kündigte an, mindestens ein Drittel der Filialen schließen zu wollen – welche genau, soll erst im Januar bekannt gegeben werden.
Filialende trotz Absichtserklärung?
Eine Schließung der Charlottenburger Filiale ist politisch brisant, da es sich um einen der vier Standorte handelt, die im Zuge der letzten Insolvenz 2020 durch einen „Letter of Intent“ (LOI) genannten Deal mit dem Senat und Karstadt-Eigentümer Signa gerettet werden konnten. Damals sicherte der Senat zu, die Genehmigung für drei umstrittene Bauprojekte des österreichischen Unternehmens voranzutreiben. Im Gegenzug gab Signa mehrjährige Bestandsgarantien für die vier Filialen am Tempelhofer Damm, am Leopoldplatz, an der Frankfurter Allee und in der Wilmersdorfer Straße.
Die Abrisspläne nähren Zweifel, ob Galeria-Eigentümer Signa wirklich an einem langfristigen Erhalt von Warenhäusern interessiert ist – oder nur die Minimalzusagen aus dem LOI einhält. Über die dreijährige, Ende 2023 auslaufende Bestandsgarantie wurde auch „eine Sicherung des Standorts für mindestens zehn Jahre“ angestrebt.
Die Linksfraktion in der Bezriksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf forderte in einem Antrag, die Absichtserklärung aufzukündigen „solange der im Letter of Intent vereinbarte Fortbestand der Warenhäuser nicht gewährleistet wird“.
Darüber soll in der nächsten Sitzung am Dienstag diskutiert werden. Konkret würde das bedeuten, dass Signas Bauprojekte nicht – oder nur unter deutlich schärferen Auflagen – umgesetzt werden (siehe Kasten). Trotz der Kritik wäre eine Schließung des Charlottenburger Standorts nicht überraschend.
Galeria nur als Mieter wichtig
Laut Einschätzungen von Immobilienexpert:innen sind vor allem Filialen in Gefahr, bei denen Signa nicht selbst Eigentümerin der Immobilie ist. Das Branchenmagazin Immobilienzeitung analysierte im Oktober sämtliche Galeria-Filialen auf ihre Zukunftsfähigkeit und bescheinigte in Berlin nur den Filialen am Alexanderplatz und am Ku'damm positive Aussichten. Diese befänden sich in einer Toplage und seien besonders umsatzstark, so die Autor:innen.
An den Erhalt der Galeria-Filialen sei Signa nur dann interessiert, wenn sie Mieterin in ihren eigenen Immobilien sei, erklärt Leonhard Dobusch, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Innsbruck. Es sei kein Leichtes, selbst in guten Lagen dieser Tage Nachmieter in der Größenordnung einer Galeria-Filiale zu finden. Stünden die Gebäude leer, würde sich das negativ auf den Wert der Immobilie auswirken, die sich auch aus der Höhe der Mieteinnahmen errechnet wird. „Wie soll ein Käufer Mieten eintreiben können, wenn Signa es selbst nicht schafft?“, sagt Dobusch.
Doch eine hohe Bewertung der Immobilien ist entscheidend, damit Signa an frisches Geld für seine Immobilienprojekte kommt. „In dieser Branche wird kaum getilgt, sondern nur refinanziert“, sagt Dobusch. Eine plötzliche Pleite des Warenhauskonzerns sei damit auch eine Gefahr für die Immobiliensparte des Konzerns.
Damit das Warenhausgeschäft wieder profitabel wird, benötigt es massive Investitionen, um die Filialen zukunftsfähig zu gestalten. Diese scheint Signa allerdings nicht tätigen zu wollen, wenn es nicht selbst Eigentümer der Immobilie ist, wie der Fall der Filiale in der Wilmersdorfer Straße zeigt. Dabei sicherte das Unternehmen im Letter of Intent noch Investitionen von insgesamt 45 Millionen Euro zu, um die vier Standorte zu retten.
Zuletzt forderte deshalb auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in einem am Dienstag im Stadtentwicklungsausschuss eingebrachten Antrag, die Kooperation mit Signa zu beenden.
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