Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof: Mehr als 70 Filialen sollen bleiben
US-Investor NRDC und Unternehmer Bernd Beetz übernehmen die Kaufhauskette. Verdi appelliert an sie, in Filialen und Beschäftigte zu investieren.
Das Unternehmen ist in Zuge der Signa-Pleite in Schieflage geraten. Wie Galeria nun am Mittwoch mitteilte, will ein Konsortium um den US-Investor NRDC und den Unternehmer Bernd Beetz von den derzeit noch 92 Standorten „voraussichtlich mehr als 70 Filialen deutschlandweit übernehmen“. Auch die Unternehmenszentrale werde an die reduzierte Warenhausgröße angepasst, „mit dem Ziel, Galeria wie ein mittelständisches Unternehmen zu führen“.
Die endgültige Entscheidung, wie viele Filialen letztlich gerettet werden, soll Ende April fallen. Sie hängt auch von Verhandlungen zwischen Vermietern, der Geschäftsführung und dem Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus ab. Denkhaus soll bis voraussichtlich Ende Juli 2024 die Kontrolle über Galeria behalten. Derzeit wird mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt.
Experten bezweifeln, dass Galeria als Ganzes eine Zukunft hat. „Das Konzept Warenhäuser ist schon länger in der Krise, weil sie mit dem Internet nicht mithalten können“, sagt Einzelhandelsexperte Christian Rusche vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) der taz. Onlinehändler würden sowohl beim Preis als auch bei der Auswahl gegenüber den Warenhäusern punkten. Die Folge: Laut Statistischem Bundesamt sind die Umsätze der Kaufhäuser in den letzten 20 Jahren nach Abzug der Inflation insgesamt um 34,8 Prozent gesunken, während jene des Versand- und Onlinehandels um 170,1 Prozent stiegen.
Pandemie verschärfte Situation
Die Corona-Pandemie hat die Krise des Einzelhandels weiter verstärkt. „Der zweite Lockdown war der Genickbruch für Galeria“, sagt Rusche. Im Januar meldete das Unternehmen zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren Insolvenz an. Rusches Einschätzung deshalb: Gewisse Filialen mit besonderen Merkmalen könnten überleben. „Galeria in seiner jetzigen Ausrichtung hat keine Zukunft.“
Denn was die Situation noch erschwert, ist die allgemeine Wirtschaftslage. „Die Kaufkraft ist seit der Coronakrise in breiten Schichten der Gesellschaft stark gesunken“, so Rusche. Die gestiegene Inflation habe die Haushalte belastet. Zuletzt stagnierten die Reallöhne mehr oder weniger, in den Vorjahren waren sie sogar dramatisch gefallen, im Jahr 2022 um rekordmäßige vier Prozent. „Darunter leidet auch der Einzelhandel“, sagt Rusche. Die Umsätze der Kauf- und Warenhäuser gingen im vergangenen Jahr real um 3,9 Prozent zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Hamas und Israel werfen sich gegenseitig vor, Gespräche zu blockieren