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Insolvenz der OdenwaldschuleInternat vor dem endgültigen Aus

Die Aufsichtsbehörden lehnen das Konzept für eine Nachfolge-Einrichtung der Schule ab. Die Zweifel an der Wirtschaftlichkeit sind zu groß.

In diesen Häusern wird nicht mehr unterrichtet werden. Foto: dpa

Wiesbaden/Heppenheim dpa | Die krisengeschüttelte Odenwaldschule steht vor dem endgültigen Aus. Das Konzept zur Fortführung der insolventen Einrichtung bekam von den Aufsichtsbehörden keine Genehmigung. „Nach den den Behörden vorgelegten Unterlagen ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit für den Weiterbetrieb der Odenwaldschule nicht gesichert“, teilten das hessische Kultus- und das Sozialministerium des Landes am Mittwoch in Wiesbaden mit.

Laut den Behörden sind die „im eingereichten Konzept vorgesehenen und schriftlich vorliegenden Schülerzahlen für einen langfristigen wirtschaftlich beziehungsweise finanziell tragfähigen Schulbetrieb nicht valide belegt und daher nicht ausreichend“. Die Investoren teilten mit, sie behielten sich rechtliche Schritte vor.

Sollte vonseiten der Investoren und der Insolvenzverwalterin kein Widerspruch eingelegt werden, bedeute dies das endgültige Aus, sagte ein Sprecher des Kultusministeriums. Investoren und Eltern hatten geplant, die Schule unter dem Namen „Schuldorf Lindenstein“ weiterzuführen.

Die Insolvenzverwalterin hatte angekündigt, dass ohne Genehmigung nun aus insolvenz- und arbeitsrechtlichen Gründen allen Mitarbeitern im Laufe des Monats gekündigt werden müsse. Die Schule hatte zuletzt noch rund 110 Beschäftigte. Bei einer Weiterführung der Schule hätte die Hälfte der Belegschaft bleiben können.

An der Odenwaldschule waren 2010 lange zurückliegende sexuelle Übergriffe an Schülern ans Licht gekommen. Offiziell wird von 132 Opfern ausgegangen, von bis zu 500 ist die Rede. Es folgten ein Dauerstreit und einige Wechsel an der Spitze, die Schülerzahlen sanken. Die Schule stellte schließlich Mitte Juni Insolvenzantrag.

Das neue Schuljahr in Hessen beginnt an diesem Montag (7.9.). Laut Ministerien haben alle der im vergangenen Schuljahr 2014/15 an der Odenwaldschule unterrichteten Schüler bereits einen neuen Schulplatz bekommen. „Alle Beteiligten sind sich der Tatsache bewusst, dass mit der getroffenen Entscheidung auch persönliche wie berufliche Schicksale verbunden sind“, teilten die Ministerien mit. „Im Sinne einer nachhaltigen und langfristigen Beschulung der Kinder ist den Behörden aber keine andere Entscheidung möglich gewesen.“

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11 Kommentare

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  • Dass die angeblichen "Neu"-gründer sich letzten Endes vor Allem Sorgen um die Arbeitsplätze der MitarbeiterInnen machten sagt eigentlich alles.

     

    Wichtig ist jetzt, dass die geplante wissenschaftliche Aufarbeitung durchgeführt wird. Die Odenwaldschule und ihr Netzwerk bilden ein Stück Zeitgeschichte. Sogar Ludger Stüper SJ, Chefmissbraucher am Bonner Aloisiuskolleg - am anderen Ende der Gesinnungsskala das Pendant zur OWS - hat während seiner Ausbildung zum Jesuitenpriester dort ein Praktikum absolviert. Überhaupt scheint die christliche Ideologie bei der sexuellen Ausbeutung von Kindern eine Rolle zu spielen. Auch Gerold Becker hat mal Theologie studiert. Und bei Pädo"philen" handelt es sich überproportional häufig um Männer, die wir auf Deutsch als "Muttersöhnchen" bezeichnen. Für die das englische Pendant "Motherfucker" aber viel zutreffender ist.

    Apropos: über Gerold Beckers Kindheit ist wenig bekannt. Oder irre ich mich da?

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

    • @Angelika Oetken:

      Sehr geehrte Frau Oetken, Sie pflegen m.E. ein sehr simpel gestricktes Bild von Pädophilen. Man weiß heute, daß eine Vielzahl pädophil veranlagter Menschen - männliche wie weibliche übrigens - ihre Veranlagung niemals ausleben, da ihnen selbst die Problematik bewußt ist.

       

      Weder handelt es sich um ein ausschließlich männliches Phänomen, noch werden pauschalisierende Beleidigungen ("Motherfucker") der Sache gerecht.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Fragen Sie doch mal ErfahrungsexpertInnen, also Menschen die leibhaftigen Umgang mit Pädo"philen" gepflegt haben oder pflegen, wie glaubhaft jemand ist, der an solch einer Störung leidet.

         

        Ein Kernsymptom der Pädo"philie" ist die kognitive Verzerrung. Im Klartext: die Neigung, sich und andere in die Tasche zu lügen, weil man die Welt verquer wahrnimmt.

    • @Angelika Oetken:

      Sehr geehrte Frau Oetken,

       

      ich bin im Zweifel, ob man sich wirklich über das Ende der Odenwaldschule freuen soll. Und "Missbrauchs-Gedenkstätte" als Anschlussverwendung finde ich ziemlich daneben. Nach der "Elite-Schule" kommt dann das "Elitekinder-Missbrauchs-Mahnmal", während man diejenigen vergisst, die in Heimen oder weniger kostspieligen Internaten auf mindestens ebenso brutale Weise geschändet wurden.

       

      Wenn man überhaupt ein Mahnmal errichten sollte, dann vor der Tür des hessischen Sozialministeriums, das für die Heimaufsicht (Jugendhilfeeinrichtungen u n d Internate) zuständig war und für dessen ungeheuerliches Versagen sich der Hessische Landtag öffentlich entschuldigt hat.

       

      Die Verantwortlichen jedoch wurden nie beim Namen genannt und kamen sämtlich glimpflich davon - bei vollen Pensionsbezügen und einem behaglichen Ruhestand. Ganz wie die OSO-Täter.

      • @Ulrich Lange:

        Ich weiß von niemandem, der sich über das, was an und mit der Odenwaldschule passiert ist freut.

        Aber außer mir sind eine Menge Leute sehr besorgt, dass die Vertuschung der vielen verschiedenen Umstände, die zur seriellen Missbrauchskriminalität an der Odenwaldschule und in deren Umfeld geführt haben nun weiter fortgesetzt wird.

        Eine unabhängige wissenschaftliche Aufklärung muss sein.

        Was die Rolle der Behörden angeht: wenn Sie sich die Liste der Leute ansehen, die aus ihrem Klüngel heraus diese Schule protegiert haben, dann wird klar, warum die Landesbeamten eher kooperiert, denn interveniert haben. Stätten wie die OWS oder das Aloisiuskolleg dienen einer selbsternannten "Elite" zur Pflege ihrer Eitelkeiten. Ein Schmierentheater für die Nachkriegsgesellschaft. Man wollte wieder wer sein und war doch in einem überdurchschnittlich: einer besonders brutalen Variante der Oberflächlichkeit.

      • @Ulrich Lange:

        Nicht zu vergessen die vielen unbescholtenen Familien, in deren vier Wänden sich der mit Abstand größte Anteil von Mißbrauch abspielt.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Wie die prozentuale Verteilung zwischen den verschiedenen Tatorten aussieht, wissen wir gar nicht. Denn Diejenigen, die darüber Auskunft geben könnten, die Opfer, schweigen größtenteils.

          Sie stehen nämlich fast alle isoliert da. Während Betroffene von Institutionen immerhin gemeinsam die Stimme erheben können.

          Ich bin Leuten wie denen vom Eckigen Tisch, Glasbrechen, Jugendwerkhof Torgau sehr dankbar. Sie haben eine wichtige Debatte vom Rand in die Mitte der Gesellschaft geholt.

  • Ein richtungsweisendes Bildungsmodell wird vor die Hunde gehen gelassen.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Lieber Kurt Horst (heißen Sie wirklich D-Loch?), wir haben uns leider viel zu lange die Legende vom "richtungweisenden Bildungsmodell" aufbinden lassen. Gerade die unterrichtliche Seite der OSO wie auch die schulische Betreuung am Nachmittag (Hausaufgaben!) waren einfach nur kümmerlich. Und der Rest war reformpäderagogischer Selbstbetrug und Selbstbeweihräucherung. Also im Grunde das volle Programm von "Elite"-Bildung.

      • @Ulrich Lange:

        Nicht zu vergessen, die ganz praktischen Effekte: wer genug Geld spendete, konnte seinem Nachwuchs ein Abitur kaufen. Das ist auch am Aloisiuskolleg so. Dort wurden Überflieger mittels Sonderkonditionen angelockt. Hochbegabte die dann dafür sorgten, dass der Durchschnitt weit oben lag. Bei allen Wackelkandidaten mit reichen Eltern wurde dann per Notenvergabe nachgeholfen. Schwupps, liegt die Schule vorn. Es heißt ja nicht umsonst: "der Apfel fällt nicht weit vom Stamm". Insofern haben diese Absolventen gelernt, wie es in Deutschland, angeblich einem Hort der Leistungsbereitschaft und Ordnung wirklich läuft. Und dass diese dreisten Betrugsmanöver ausgerechnet an einer der Kaderschmieden der alten BRD statt fanden, ist doch schon wieder skurril. Wenn es nicht so traurig wäre, weil eine Menge Kinder regelrecht geopfert wurden, um das Betrugssystem aufrecht zu erhalten, könnte ich darüber lachen. Wie wir uns unschwer vorstellen können, wehrt sich das "Alumni" des Aloisiuskollegs ähnlich vehement gegen eine unabhängige Aufklärung wie das der Odenwaldschule.

      • @Ulrich Lange:

        Nein, Dloch, wie man´s schreibt.

         

        "Gerade die unterrichtliche Seite der OSO wie auch die schulische Betreuung am Nachmittag (Hausaufgaben!) waren einfach nur kümmerlich."

        >>> Woran bemessen Sie diese Kümmerlichkeit?