Insektenzählen vor dem Naturkundemuseum: Schutz der kleinsten Mitbürger
Ein lebendes Kunstwerk vor dem Naturkundemuseum schafft ideale Bedingungen für Insekten. Zur Zählung von Bienen und Co ruft der Nabu auf.
Berlin taz | Dass das Naturkundemuseum mit seinen Dinosaurierskeletten auch die kleinsten Besucher*innen anlockt, ist nichts Neues. Doch nun hat sich das Museum eine neue Zielgruppe gesucht: Insekten. Direkt vor dem Haupteingang des Museums steht seit Mai 2023 das Kunstwerk „Pollinator Pathmaker“, das einen Lebensraum für Bestäuber bietet.
Die Besucher*innen in der Schlange direkt neben der Grünfläche haben zum Werk der Künstlerin Alexandra Daisy Ginsburg gemischte Gefühle – falls sie der Grünfläche neben sich überhaupt Beachtung schenken. Manche von ihnen schätzen den positiven Beitrag zur Biodiversität, andere freuen sich über die bunten Blumen, so manch eine*r hält die Fläche fälschlicherweise einfach für ungepflegt.
Dass dies mitnichten der Fall ist, erklärt die dazugehörige Informationstafel. Denn der Garten ist überhaupt nicht dafür ausgelegt, ihn schön zu finden. Stattdessen hat ein Algorithmus, der mit wissenschaftlichen Daten gefüttert wurde, berechnet, wie er anzulegen ist, um einen maximalen Nutzen für die Insekten zu erreichen.
Auf über 700 Quadratmetern befinden sich hier um die 7.000 Pflanzen, darunter ganze 80 verschiedene Arten. Pflanzen, die im Sommer blühen, bieten den Bestäubern Nahrung und im Winter bietet der Garten Nistplätze für überwinternde Arten. Und die werden dringend benötigt, denn der Insektenbestand hat in den vergangenen Jahren dramatische Verluste erlitten. Neben Klimawandel und Pestiziden hat auch der Verlust von Lebensraum einen erheblichen Anteil an dem Insektensterben.
Insektensommer in der Großstadt
Daher ist es notwendig, sich nun auch mit den kleinsten unserer Mitbürger*innen zu beschäftigen. Bis zum 13. August ruft der Naturschutzbund Nabu dazu auf, Insekten zu zählen. Sei es auf dem Balkon, im eigenen Garten oder in einem der vielen Parks von Berlin.
Die von bis zu 15.000 Teilnehmenden in den vergangenen Zählungen zusammengetragenen Daten geben Auskunft über die Populationsentwicklung der Schmetterlinge, Wildbienen und weiterer Mitbewohner, sagt eine Mitarbeiterin des Nabu, die den Besucher*innen erklärt, wie und warum man Insekten zählen kann.
Bei genauerer Beobachtung der Wiese vor dem Naturkundemuseum fällt auch Laien gleich eine Vielzahl an Insekten auf. Es hat fast schon etwas Meditatives, den fleißigen Bienen zuzuschauen.
Bei der Sichtung eines Schmetterlings erinnert man sich trotz der regnerischen vergangenen Tage wieder daran, dass ja eigentlich Sommer ist. Beinahe hat man das Gefühl, sich in einer ländlichen Idylle zu befinden – wäre da nicht der Stadtlärm der Autos und das Rauschen der Straßenbahn hinter sich.
In Zeiten, in denen immer mehr Flächen permanent versiegelt werden, sind Orte wie dieser umso wichtiger. Und Aktionen wie das Insektenzählen helfen nicht nur den Tieren. Sie erinnern auch daran, dass das Leben in der Stadt eine Koexistenz ist und Insekten die gleiche Existenzberechtigung haben wie wir.
Leser*innenkommentare
Frau Sperling
Vielen Dank für diesen Beitrag! Ein Besuch im Naturkundemuseum lohnt sich immer, aber die neue Grünfläche für Insekten ist noch mal eine zusätzliche Attraktion.
Hervorheben möchte ich den letzten Satz des Artikel: "Sie erinnern auch daran, dass das Leben in der Stadt eine Koexistenz ist und Insekten die gleiche Existenzberechtigung haben wie wir." Alle Lebewesen sollten die gleiche Existenzberechtigung wie Menschen haben und zwar überall auf der Erde. Nicht nur, weil Menschen von allen anderen Lebewesen abhängen, sondern weil es auch unsere moralische Verantwortlichkeit ist, dieses Recht anzuerkennen.